Unter der Rubrik Was macht eigentlich…? stellen wir in unregelmäßigen Abständen Personen vor, die versuchen, es sich in der Mitte der Gesellschaft gemütlich zu machen. Durch die langjährige Aktivität in der extrem rechten Szene und ihren ausbleibenden Ausstieg stellen diese Personen mit ihrem Wissen, ihren Kontakten und Netzwerken eine schwer einzuschätzende Gefahr besonders für diejenigen dar, die ihnen ausgesetzt sind.
Sandro Auerbach (*14.05.1987) tauchte bereits im Jahr 2008 auf dem NPD-Open-Air Rock fürDeutschland in Gera auf. Bis heute ist er in Nazikreisen aktiv. Der 35-Jährige ist unter anderem nach §86a (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen), Sachbeschädigung und Verstößen gegen das Waffengesetz vorbestraft.
2008/09 begann er, sich in der damaligen Geraer Kameradschaft Blindenhunde zu engagieren. Von Stil und Auftreten her ließ sich die Gruppe den autonomen Nationalisten zuordnen. Auf einer Demonstration in Freiberg 2009 ist Auerbach dementsprechend mit schwarzem Kapuzenpullover, Kufiya („Palästinensertuch“) und Sonnenbrille zu sehen. Auf einer Kontaktliste, die der verurteilte NSU-Helfer Ralf Wohlleben nach einem internen Koordinierungstreffen 2009 zusammenstellte und verschickte, fanden sich auch die Geraer Blindenhunde mit den Kontaktdaten von Blindenhunde-Mitglied Doreen Sikorska.
Bis 2011 tauchte Auerbach immer wieder bei Aktionen hinter dem Banner der Blindenhunde auf. Zu dieser Zeit machte er den Einrduck, eine der tonangebenden Figuren der Kameradschaft zu sein, die zudem für zahlreiche Nazi-Schmierereien in Gera verantwortlich war.
Ab 2012 bewegte er sich im Umfeld der nächsten lokalen Kameradschaft, die sich Vollstrecker nannte. Seit 2011 organisierten und besuchten die Vollstrecker Naziveranstaltungen, bis sie sich 2014 nach strafrechtlich relevanten Gewaltaufrufen auf Twitter auflösten. Bis 2013 besuchte Sandro Auerbach beinahe jede Veranstaltung der extremen Rechten in Gera, darunter Kundgebungen und Demonstrationen der NPD Gera oder das alljährliche NPD Open Air Rock für Deutschland. Zudem reiste er zu Demonstrationen selbsternannter „autonomer Nationalisten“ nach Dortmund oder Freiberg.
Ab ca. 2014 wurde es um Sandro Auerbach etwas ruhiger. Auf öffentlichen Veranstaltungen der extremen Rechten in Gera und Umgebung war er vorerst nicht mehr sichtbar. Im Social Media teilte Auerbach jedoch fortwährend rassistische, xenophobe und rechtspopulistische Inhalte, darunter Beiträge der AfD Gera und der neofaschistischen Partei III. Weg.
Möglicherweise hing dieses vorsichtigere Auftreten in der Öffentlichkeit auch mit seiner wachsenden Vorstrafensammlung und seinem Privatleben – beispielsweise der neuen Rolle als Ziehvater 2013 und als Vater eines eigenen Kindes seit 2017 – zusammen. Zu dieser Zeit kam, wohl auch von ihm selbst befeuert, das Gerücht um einen möglichen Szeneausstieg Auerbachs auf. Diese Gerüchte wurden allerdings spätestens mit seiner Teilnahme am sogenannten Heldengedenken der extrem rechten Vereinigung Patrioten Ostthüringen im November 2020 auf dem Geraer Ostfriedhof widerlegt. Die Veranstaltung verfolgte er im Kreise seiner langjährigen Kameraden und Wegbegleiter, unter ihnen Christian Gentzsch und Fabian Matthes.
Sein äußerliches Auftreten hat Auerbach über die Jahre immer wieder verändert. Den Kleidungsstil der autonomen Nationalisten hat er spätestens 2013 abgelegt und ist damit äußerlich kaum noch als „klassischer“ Nazi erkennbar. In Gera und Umgebung ist Auerbach gern auf „Hardtekk“-Veranstaltungen zu finden und teilt entsprechende Inhalte auf Social-Media-Kanälen. Er wohnt derzeit zusammen mit seiner Freundin in der Umgebung der Franz-Stephan-Straße in Gera-Lusan. Auerbach arbeitet seit vielen Jahren im Geraer Lebensmittelmarkt Simmel in der Reichsstraße, wo er gut in die Belegschaft integriert ist und sich beispielsweise beim firmeninternen Fasching 2013 ungeniert im niedlichen Tierkostüm beteiligte.
Christian Dietrich Klar (*07.07.1980) aus Gera gehört zweifellos zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. In einer Zeit, in der eine Krise die nächste jagt, konnte der notorisch kriminelle Neonazi Klar zur öffentlichen Person werden. Mit der Anmeldung eines Sommerfests in Gera am 26.08. und einer Versammlung am 03.10.2022 erreichte er den vorläufigen Zenit der Aufmerksamkeit. Selbst die Tagesschau berichtete über den Protest am Tag der deutschen Einheit in Gera, der bis zu 10.000 Personen auf die Straße brachte. Klar, der mit seinen Unterstützer*innen permanent Zusammenhalt predigt und sich als politisch verfolgter Wohltäter der Stadt präsentiert, ist ein vielfach vorbestrafter Opportunist, der in der Vergangenheit keine Skrupel zeigte, auch durch Verrat an seinen Mittätern den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wir werfen einen Blick auf seine kriminelle Laufbahn, die seine Selbstinszenierung in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Nazidemos, Volksverhetzung, Körperverletzung
Als Christian Klar 2020 zum wöchentlichen Besucher von Veranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen wurde, verfügte er bereits über eine mehr als zwanzigjährige Erfahrung in Sachen rechter Demonstrationen. Seit Ende der 90er Jahre bewegt er sich in Nazikreisen. Allein 1997, im Jahr als er seinen Realschulabschluss machte, handelte er sich zum einen mit Volksverhetzung und zum anderen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gleich zwei einschlägige Verfahren ein. Im gleichen Jahr stellte er auch seine physische Gefährlichkeit unter Beweis: Klar beging im November 1997 eine Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung.
Am 4. September 1999 nahm Klar, der inzwischen seine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur abgebrochen hatte, an einer Großdemonstration der NPD und des Thüringer Heimatschutzes in Gera teil. Der Thüringer Heimatschutz, daran sei erneut erinnert, war diejenige Organisation, aus deren Mitte der u.a. für 10 Morde verantwortliche Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hervorging. Auf der gleichen Demonstration waren auch die NSU-Helfer Ralf Wohlleben, André Kapke und Tino Brandt zugegen. Außerdem anwesend war der Blood-&-Honour-Chef Thüringens, Marcel Degner aus Gera, über den wir bereits ausführlich informierten. Dass Christian Klar zum näheren Umfeld des NSU-Unterstützers Degner gehörte, beweist auch der Eintrag von Klars Telefonnummer (0172/4866xxx) in Degners handschriftlichem Telefonbuch, das man bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmte.
Die überregional einflussreiche Geraer Blood-&-Honour-Band Legion Ost grüßte im Booklet ihres 1996 erschienenen Albums Ohne Worte neben anderen Geraer Nazis auch „Klari“.
Neben einem kleineren Delikt (Gestatten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis) hatte Klar 1999 erneut mit den Gerichten zu tun, als er sich wegen Landfriedensbruchs und Nötigung verantworten musste.
Betrug, Diebstahl, Drogenhandel, Verrat
Auch im neuen Jahrtausend beschritt Klar weiter den eingeschlagenen Weg des kriminellen Neonazis. Allein im Jahr 2002 ließ Klar sich drei Mal beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischen, was entweder von mangelnder Lernfähigkeit und Cleverness oder aber von aggressiver Ignoranz zeugen mag.
2003 fingierte Klar mithilfe mehrerer Bekannter einen Autounfall, um die Versicherungssumme zu kassieren. Wegen versuchten Betruges sollte Klar 2007 zunächst eine Freiheitsstrafe bekommen, im Berufungsprozess im Jahr 2008 wurde er dann aber zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt zu 3 Jahren Bewährung verurteilt.
Ebenfalls 2003 mieteten Klar und ein Mittäter ein Fahrzeug bei einer Autovermietung in Gera, zerlegten es, um die Einzelteile gezielt an polnische Staatsangehörige zu verkaufen, und meldeten das Auto dann als gestohlen. Wegen Betrugs und Unterschlagung wurde Klar 2004 zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die zu 2 Jahren Bewährung ausgesetzt wurden.
Klar wurde jedoch kurze Zeit später wieder straffällig, weswegen seine Bewährung widerrufen wurde. Klar hat die sechsmonatige Freiheitsstrafe vollständig verbüßt.
In den Jahren 2004 bis 2005 war Klar als selbstständiger Schrotthändler tätig. Die dabei erlangten Kenntnisse setzte er 2005 praktisch um: In drei Fällen von besonders schwerem Diebstahl, zwei davon begangen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, entwendete er mehreren lokalen Betrieben Altmetall in großer Menge, um es weiterzuverkaufen – allein im April 2005 stahl er mit Unterstützung weiterer Personen 20 Tonnen Eisenbahnschienen. 2006 musste er deswegen erneut in Haft, diesmal für 2 Jahre und 9 Monate. Im Mai 2008 wurde der zu verbüßende Rest der Freiheitsstrafe zu 4 Jahren Bewährung ausgesetzt.
Nachdem er während seines letzten Gefängnisaufenthalts bereits Crystal konsumierte, dealte er 2008 mit Crystal und Haschisch, um seine Schulden zu begleichen. Als Komplize des Pößnecker Neonazis Norman Strupp versuchte Klar im September 2008, 1,5 Tonnen Kupferdraht von einer Baustelle zu stehlen. Auch wenn Klar und seine Helfer noch vor Ort gestellt wurden, überlebte die Freundschaft zu Norman Strupp. Gemeinsam besuchten Klar, dessen Partnerin Carolin Krietsch und Strupp 2018 gemeinsam eine Solidaritätsdemo für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck in Bielefeld.
Im darauffolgenden Prozess stellte Klar seine vermeintliche Loyalität unter Beweis: Um eine Strafminderung nach §31 BtMG für sich zu erreichen, verpfiff er einen in seine Drogendeals involvierten Kollegen. Wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und versuchten Diebstahls wurde Klar 2010 zu 2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Profiteur der Pandemie
Seit Christian Klar wieder auf freiem Fuß ist, besucht er beständig extrem rechte Aufmärsche in der ganzen Republik. In der Vergangenheit haben wir bereits mehrfach über Klars Verstrickungen und Teilnahmen an Naziveranstaltungen berichtet (z.B. hier, hier, hier und hier).
Mit Beginn der Corona-Pandemie schloss sich Klar den stets von Rechten orchestrierten Protesten gegen die Maßnahmen zunächst als Teilnehmer an.
Die unangemeldeten und untersagten Demonstrationszüge 2021 organisierte und koordinierte Klar zunehmend selbst, was er mehrfach betonte.
Seine Rücksichtslosigkeit bewies Klar erneut im November 2021, als er das Wurmmittel Ivermectin in einer Telegram-Gruppe ohne Kenntnis der Risiken als Medikament gegen Corona-Infektionen anpries und erklärte, schon 9 Personen in seinem Umfeld mit dem rezeptpflichtigen, nicht als Covid-Medikament zugelassenen, Arzneimittel „behandelt bzw. versorgt“ zu haben.
Am 20.06.2022 trat Christian Klar erstmals als Anmelder der Montags-Proteste auf, die inzwischen eine wilde Melange aus Reichsbürgermilieu, Putin-Freund*innen und -Apologet*innen, Impfgegner*innen und militanten Nazis versammeln. Klar nutzt die Plattform der Demos und Feste vor allem, um über sich selbst zu sprechen; die Menge jubelt dem Selbstdarsteller dafür zu. Seine Höhenflüge verleiten ihn sogar dazu, bei der Demonstration am 22.08.2022 seinen Anhänger*innen gegenüber zu behaupten, dass „es sich lohnt“, ihm „hinterherzulaufen“ und dass man das „guten und ruhigen Gewissens“ machen könne. In dieser Rede auf dem Geraer Marktplatz will er seinen montäglichen Mitläufer*innen zu seinen laufenden Verfahren „Rede und Antwort“ stehen. Ehrlich zu sein verspricht Klar seinem Publikum und redet schließlich nur noch davon, was er alles nicht getan habe. Bis zu den Dingen, die er aber getan hat, reicht der Wille zur Ehrlichkeit dann doch nicht.
„Schön, dass du mein Freund bist“
Mit Peter Schmidt erhält Christian Klar einen, der trotz allem für seine Aufrichtigkeit bürgt. Schmidt, über den alle Medien immer wieder nur zu sagen haben, er sei „Unternehmer“, als mache einen das allein zum verdienstvollen und guten Menschen, darf sich dabei ohne Probleme gewohnt weit aus dem Fenster lehnen. Bereits zu Beginn behauptet er, dass Klar „in seiner Vergangenheit möglicherweise mal Fehler gemacht hat oder auch Dinge getan hat, die nicht erlaubt sind – das hat doch mit einer politischen Bewegung rein gar nix zu tun“. Bei über zwanzig Jahren in der extrem rechten Szene und mehrfachen politisch motivierten Delikten Klars ist das eine sehr freie Interpretation von „rein gar nix zu tun“. Schmidt spricht davon, Klar sei ihm gegenüber „von Anfang an ehrlich“ gewesen, dass es in Klars Vergangenheit auch „dunklere Flecken gab“. Bei all den Straffälligkeiten Klars drängt sich jedoch die Frage auf, wo die helleren Flecken zu finden sind. Schmidt weiß es: In Christian Klars gesellschaftlichem Engagement für die Stadt – das im Wesentlichen aus Demoorganisation mit Feuerwerk und dubiosen Spendensammlungen besteht.
Schmidt betont als Reaktion auf die Aufforderung, sich von Klar zu distanzieren, dass in Deutschland immer noch die „juristische Unschuldsvermutung“ gelte. Wie ein Ertrinkender an den Rettungsring klammert sich der Unterstützer*innenkreis Klars an die Hoffnung, dass man das Gesicht trotz eindeutiger Faktenlage wahren könne. Umso absurder wird das Schauspiel, wenn man sich vor Augen führt, dass Schmidt sein pathetisches Plädoyer für die Unschuldsvermutung auf einer Veranstaltung hält, die regelmäßig von Plakaten gesäumt ist, auf denen Politiker*innen und Journalist*innen in Sträflingskleidung abgebildet sind, und denen die Hobbyjurist*innen der Montagsdemos das eigene Urteil „SCHULDIG“ aufgepinselt haben – und dass eines dieser Plakate überhaupt erst zu den Verfahren gegen Klar geführt hat.
Seinen als spontan inszenierten Beitrag beendet Peter Schmidt mit den Worten: „Den Christian, den ich seit zwei Jahren kenne… Da sage ich mit Stolz: Schön, dass du mein Freund bist.“ Die rührende Männerfreundschaft beruht nicht nur auf der gleichen Gesinnung, sondern offensichtlich auch auf dem gleichen pragmatischen Verhältnis zur Wahrheit.
Aktuelle Gerichtsverfahren gegen Christian Klar
Derzeit laufen zwei Gerichtsverfahren gegen Christian Klar. Das eine bezieht sich auf eine Verunglimpfung des Geraer Polizeidirektors Michael Zimmermann. Klar hat am 02.05.2022 zum „Spaziergang“ eines der „Schuldig“-Schilder mit dem Bild des Polizisten in Sträflingskleidung mitgeführt. Strafrechtlich ist das von der Meinungsfreiheit gedeckt, allerdings gibt es in diesem Zusammenhang noch ein zivilrechtliches Verfahren gegen Klar. Der konkrete Ausgang ist noch nicht gewiss.
Bemerkenswert in diesem zivilrechtlichen Verfahren ist die anwaltliche Vertretung von Christian Klar. Sein Rechtsbeistand ist der Rechtsanwalt Detlev Funke genannt Kaiser, ein Geraer Anwalt mit einem exzellenten Ruf innerhalb der extremen Rechten. Bekannte Geraer Nazis wie Jörg Krautheim empfehlen ihn ausdrücklich, beispielsweise weil er die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck 2017 vor Gericht zu ihrer Zufriedenheit vertreten hat.
Das andere strafrechtliche Verfahren bezieht sich auf schweren Diebstahl, Hehlerei und – na klar – Fahren ohne Führerschein. Christian Klar hat Baumaschinen von Baustellen gestohlen und diese zu verkaufen versucht. Dabei ist er zusätzlich am Steuer ohne gültigen Führerschein (den er schon eine ganze Weile nicht mehr besitzt) erwischt worden. In der Berufungsverhandlung am Geraer Landgericht wurde das erstinstanzliche Urteil gegen Klar am 28.7.2022 mit zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis bestätigt. Gegen dieses Verfahren hat Klar einen Antrag auf Zulassung zur Revision beim OLG Weimar eingereicht. Der aktuelle Stand des Verfahrens ist unklar. Wenn die Revision jedoch nicht zugelassen wird, ist davon auszugehen, dass Christian Klar erneut in den Knast muss.
Im Zuge der Anklage und des Prozessbeginns gegen die militante Nazi-Vereinigung Bruderschaft Turonen/Garde 20 aus Thüringen kam die Identität eines Drogenlieferanten mit mehrfachem Bezug zu Gera an das Licht der Öffentlichkeit.
Die Turonen wurden um 2013/14 von Thüringer Nazis gegründet, die bereits seit Jahren einschlägig aktiv waren. Zum Vorbild in Auftreten und interner Organisation nahm man sich kriminelle Rockergruppen. In den Jahren 2015 bis 2019 etablierten sich die Turonen als Veranstalter von extrem rechten Konzerten in Thüringen und im Ausland, wodurch sie schnell großen Einfluss innerhalb der Thüringer Rechtsrockszene gewannen. Von Beginn an stand dabei die Verschränkung von Geldverdienen und der Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie im Vordergrund. Auf ihren Konzerten setzte die Gruppierung zum Teil sechsstellige Beträge um.
Mit diesen Gewinnen erwarben Mitglieder der Turonen Immobilien in Thüringen und schafften sich so Rückzugsräume. Von dort aus organisierten sie ihre kriminellen und extrem rechten Aktivitäten. Seit jeher machten Mitglieder und Unterstützer der Turonen durch brutale Übergriffe auf Menschen von sich reden. Seit 2019 sind die Aktivitäten zunehmend geprägt von klassischer organisierter Kriminalität, sexueller Ausbeutung von Frauen und vor allem Drogenhandel im großen Stil. Einen guten Überblick zu den Turonen, ihrem extrem rechten Hintergrund und ihren kriminellen Machenschaften liefert die MDR-Dokumentation Braunes Gift – Das Drogenkartell der Neonazis.
Am 29.06.2022 startete nun der Prozess gegen insgesamt neun Angeklagte in Erfurt. Im Zuge antifaschistischer Prozessbeobachtung und der MDR-Dokumentation wurde eine Verbindung der Turonen nach Gera bekannt. Ein gewisser Lars Bischof hat laut Anklageschrift insgesamt mindestens vier Kilogramm Crystal Meth an die Turonen verkauft und war damit einer ihrer Hauptlieferanten.
Bischof stammt unterschiedlichen Angaben nach entweder aus Halle oder Weimar und lebte zwischenzeitlich in Berlin. Spätestens hier wurde er Mitglied der Rockergruppe Bandidos und stieg tief ins kriminelle Milieu ein.
Im Sommer 2020 eröffnete er, möglicherweise zusammen mit seiner Frau Alexandra Bischof aus Gera, in der Heinrichstraße 74 das Tattoostudio Black Color Tattoos. Mindestens bis zum Frühjahr 2021 war der Laden im Zentrum Geras geöffnet.
Zur gleichen Zeit verkaufte Lars Bischof Anfang 2021 ca. 4 Kilo Crystal Meth an die kriminelle Nazibande der Turonen/Garde 20. Ende Februar 2021 klickten für die Nazi-Drogenhändler dann die Handschellen und das LKA Thüringen begann, die kriminelle Struktur der Turonen zu zerschlagen. Vermutlich wurde Lars Bischof im Mai 2021 als Drogenhändler verhaftet, seine Social-Media-Profile sind in dieser Zeit zum letzten Mal aktiv. Bischof sitzt nicht mit im Prozess der Turonen auf der Anklagebank, wahrscheinlich gibt es für ihn ein gesondertes Verfahren wegen Drogenhandels.
Gut vernetzt scheint Lars Bischof zudem mit der Geraer Naziszene zu sein: Im Jahr 2020 nahm er mehrfach an Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie in Gera teil. Mit anderen Neonazis beteiligt er sich beispielsweise an der von Peter Schmidt angemeldeten Demonstration am 09.05.2020, auf der auch der FDP-Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich mitgelaufen ist.
Auf Videos eines anderen Maßnahmengegner-Aufmarsches am 16.05.2022 ist außerdem gut zu sehen, wie sich Bischof in vertrauter Manier mit dem Geraer Nazi und jetzigen Organisator der immer noch andauernden „Spaziergänge“, Christian Klar, unterhält und austauscht. Im Zuge einer Verhandlung wegen Beleidigung wurden zu Klar 18 Einträge im Bundeszentralregister genannt. Darunter Körperverletzung, Landfriedensbruch, Betrug und Diebstahl. Der Prozess wegen Beleidigung wurde nur eingestellt, weil Klar in einem anderen Berufungsprozess vor dem Landgericht Gera eine deutlich höhere Strafe zu erwarten hat.
Man kennt sich unter Kriminellen und Neonazis, man trifft sich zum Beispiel auf den „Spaziergängen“ der SeuchenbefürworterInnen. Die Stadt, die sich gern als „Hochschulstadt“ vermarkten will, zeigt jedoch wieder und wieder, wie gering ihr Interesse ist, sich um ihr tatsächliches Image zu kümmern, das von außerhalb sehr genau registriert wird: Gera schafft es dann in die Medien, wenn über Nazis oder eben deren Drogen-Großlieferanten wie Lars Bischof berichtet werden muss. Die allerdings haben es sich dort unter anderem genau deswegen so gemütlich gemacht: Weil sie wissen, dass sie in Ruhe gelassen und in ihrem Tun nicht behelligt werden. Ohne uns.
Unter der Rubrik Was macht eigentlich…? stellen wir in unregelmäßigen Abständen Personen vor, die versuchen, es sich in der Mitte der Gesellschaft gemütlich zu machen. Durch die langjährige Aktivität in der extrem rechten Szene und ihren ausbleibenden Ausstieg stellen diese Personen mit ihrem Wissen, ihren Kontakten und Netzwerken eine schwer einzuschätzende Gefahr besonders für diejenigen dar, die ihnen ausgesetzt sind.
Kevin Schulhauser (29.08.1989) kommt aus Ronneburg bei Gera, wo er die Friedrich-Schiller-Regelschule besuchte. Bereits als 17-jähriger Teenager nahm er an Kundgebungen der NPD teil, so beispielsweise am 04.11.2007 auf dem Kornmarkt in Gera, wo der verurteilte NSU-Helfer Ralf Wohlleben einen Redebeitrag hielt.
Seine Freizeit verbrachte Schulhauser schon als Schüler in einem Freundeskreis, der sich selbst als Division Ronneburg bezeichnete und aus jugendlichen Neonazis bestand, die bis heute tief in der Naziszene verankert sind, darunter Josef Höschler, Daniel Steinmüller, die Brüder Alex und Max Onoszko, Stefan Polley, Tino Mutschmann, Robert Bernhardt und Christian Sohra:
Höschler nannte sich in der Zeit der Division Ronneburg in sozialen Medien abwechselnd „Politischer Soldat“ oder „El Duce“ (dt.: der Führer) und lud Fotos seiner Waffen- und NS-Militaria-Sammlung hoch. Er brachte es in der Zwischenzeit zum erfolgreichen und international vernetzten Veranstalter von konspirativen NS-Black-Metal-Konzerten, oftmals auf seinem Grundstück in Ronneburg. Daniel Steinmüller gehört Recherchen zufolge zu den zahlenden Mitgliedern der Vereinigung Combat 18, dem bewaffneten Arm der verbotenen Blood-&-Honour-Struktur.
Schulhauser gründete in dieser Zeit mehrere „Kameradschaften“, die aber allesamt Rohrkrepierer blieben und keine Außenwirkung erzielten.
Bis 2014 nahm Schulhauser an fast jeder Kundgebung, Demonstration und Veranstaltung der NPD im Raum Gera und Greiz teil. So war er in dieser Zeit Helfer beim Aufbau, regelmäßiger Besucher und Redner des NPD Open Airs Rock für Deutschland in Gera.
Zur Bundestagswahl 2013 war er Kandidat der NPD im Wahlkreis 195 Greiz Altenburg Land und erreichte 3,7% der Erststimmen.
Anfang 2013 gründete er das Nationale Bildungswerk Ronneburg. Hier inszenierte er sich als „nationaler Schulungsleiter“ und bot Vorträge, Seminare und Workshops an. Themen waren dabei z.B. „Dem Inklusionswahn entgegen – Ethik und Moral – Rechtsschulungen – Kreativer Aktionismus“.
Kurzzeitig avancierte Schulhauser damit zum Schulungsleiter des Landesverbandes der Thüringer NPD. Sein Projekt versuchte Schulhauser unter anderem auf extrem rechten Festivals oder Veranstaltungen wie dem Eichsfeldtag 2013 in Leinefeld mit Infoständen zu bewerben. Insgesamt entfaltete das Bildungswerk allerdings nur wenig Wirkung, öffentlich angekündigte „Seminare“ wurden von der Polizei aufgelöst oder untersagt.
Nach dem enttäuschendem Wahlkampf der NPD 2014 sägte Schulhauser im internen Machtkampf des Thüringer Landesverbandes mit am Stuhl von Patrick Wieschke. In der teilweise öffentlich geführten Schlammschlacht schien Schulhauser aber eher zu unterliegen.
Nach Missbrauchsvorwürfen gegen ihn und öffentlichen Angriffen anderer damaliger NPD-Politiker wandte sich Schulhauser Ende 2014 von der NPD ab und ab Sommer 2015 der Identitären Bewegung zu.
Beim Aufbau des Thüringer Ablegers der Identitären Bewegung nahm Schulhauser eine führende Rolle ein.
In der Folge kommt es zu eher peinlichen Auftritten Schulhausers: So „besetzten“ sie aus rassistischer Motivation gegen die Unterbringung von geflüchteten Menschen ein Haus im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen (das falsche).
Aufgrund solcher Aktionen und vielleicht aufgrund des Rufs von Schulhauser als Querulant bleibt die Identitäre Bewegung in Thüringen eher eine Randerscheinung.
Bis mindestens 2017 war Schulhauser in den vordersten Reihen bei Demonstrationen der IB beteiligt. 2020 wählte er für sein KfZ-Kennzeichen das Kürzel der Identitären Bewegung.
Heute arbeitet Kevin Schulhauser im Vodafone Shop in der Teepassage (Sorge 8) in Gera. Also Augen auf beim Abschluss von Telekommunikationsverträgen bei Vodafone in Gera!
Seit 2021 versucht eine neue Parteistruktur in Thüringen auf sich aufmerksam zu machen: die Neue Stärke Partei (NSP). Insbesondere in Gera ist die Partei mit ihrer Ortsgruppe Neue Stärke Gera (NSG) personell und ideologisch verankert. Als militante Kleingruppe ist die NSG bereits auf einer Vielzahl von eigenen und anderen rechten Veranstaltungen aktiv und präsent gewesen. Am 26.03.2022 ruft die Neue Stärke zu einer Demonstration in Gera auf, die der Auftakt einer über das Jahr und die Republik verteilten Veranstaltungsserie sein soll. Zeit, einen genauen Blick darauf zu werfen, mit wem man es zu tun haben wird:
Vom III. Weg zur Neuen Stärke
Noch 2020 gehörten die wesentlichen ProtagonistInnen der Neuen Stärke in Thüringen einer anderen „Kleinstpartei“, dem III. Weg, an (wobei die oft bemühte Rede von der „Kleinstpartei“ sich lediglich auf die Mitgliederzahl bezieht und damit keine qualitative Aussage über das Gefahrenpotential der Struktur getroffen ist). Der III. Weg hatte zunächst zwei Thüringer „Stützpunkte“, von denen der wichtigere „Stützpunkt Ostthüringen“ von Gera aus koordiniert wurde – Nico Metze aus Kahla und Anika Metze (vorher Wetzel) aus Rathenow/Brandenburg führten nach ihrem Umzug nach Gera von dort aus die Thüringer Aktivitäten als Stützpunktleitende. Die Teilnahme an überregionalen Demonstrationen und Kundgebungen wurde in der Vergangenheit vor allem zusammen mit Erfurt organisiert.
Die Erfurter Enrico Biczysko und Michel Fischer, zwei langjährige Neonazis, konnten dort nicht zuletzt dank der Immobilie des Volksgemeinschaft e.V. in der Stielerstraße 1 im Erfurter Viertel Herrenberg einen Rückzugsort und festen Punkt für die von ihnen ausgehenden gewalttätigen Aktionen anbieten: In der Nacht zum 1. August 2020 ereignete sich von diesem Objekt aus zuletzt ein brutaler rassistischer Angriff auf drei Männer. Biczysko und Fischer, die sich bereits in fast allen Nazistrukturen organisiert und nach kurzer Zeit mit diesen überworfen hatten, wechselten im gleichen Jahr erneut ihre Zugehörigkeit. Sie gründeten dafür die Gruppierung Neue Stärke Erfurt, die sich – mit dem Provokationspotential von pubertären Schulhof-Rowdys – das Kürzel NSE gab, und die das Auftreten, das Selbstverständnis und das Design direkt vom Vorgänger III. Weg kopierte.
Während die Geraer Mitglieder und SympathisantInnen des III. Wegs vormals noch stark mit dem Ehepaar Metze verbunden waren, schienen die sich als „sportlich – aktivistisch – gemeinschaftlich“ bewerbenden Neue Stärke-Kader in Erfurt größere Anziehungskraft auf die Geraer auszuüben und man wendete sich fortan in Richtung Landeshauptstadt.
Dass der III. Weg in Thüringen damit allerdings nicht vom Tisch ist, sondern sich nur regional verlagert, zeigt die Gründung des „Stützpunktes Erfurt/Gotha“ im August 2021 und die Eröffnung eines „Bürger- und Parteibüros“ Anfang 2022 im thüringischen Ohrdruf.
Im November 2021 hielten Mitglieder der „Resterampe für heimatlose Neonazis“ (ZEIT) von der Neuen Stärke in Magdeburg einen Bundesparteitag ab und gründeten die sich überregional verstehende Neue Stärke Partei, zu diesem Anlass entstanden außerdem weitere lokale Ableger (Magdeburg und Rheinhessen).
Im Rahmen eines pathetischen Zeremoniells ließen sich der Erfurter Michel Fischer und der Geraer Bryan Kahnes als Bundesvorstand wählen, einer der drei stellvertretenden Vorsitzenden ist darüber hinaus Enrico Biczysko aus Erfurt.
Ziel der Partei, deren Mitglieder sich als „politische Soldaten der Kampfkultur“ verstehen, sei der „organisationsübergreifende Widerstand“.
Neue Stärke Gera
Als zweite Ortsgruppe wurde nach der Erfurter die Geraer Abteilung mit dem Kürzel NSG im Zuge einer Demonstration zum 1. Mai 2021 gegründet. Dort wurde nach eigenen Aussagen die „NSG-Standarte“ „feierlich“ an Bryan Kahnes und Maurice Mischek übergeben.
Dass bei der Parteigründung im November einer der zwei gewählten Vorsitzenden aus Gera kommt, ist eine wichtige Strukturentscheidung: In Gera sieht man nach Erfurt wohl das meiste mobilisierungsfähige Potential und kann mit den ehemaligen III. Weg-Leuten (abseits des Ehepaars Metze) auf ein Netz aktiver, vor allem junger Leute zurückgreifen. Darüber hinaus musste Michel Fischer, der szeneweit für „qualitativ minderwertige Veranstaltungen“ mit „abgeschriebenen und plagiierten Reden“ bekannt ist und für seine Einfältigkeit verspottet wird, eine Person an die Seite gestellt werden, die ideologisch und rhetorisch ein einigermaßen ernstzunehmendes Bild der Partei nach außen abgeben kann.
Auch in der materiellen Ausstattung durch die Partei zeigt sich, dass ein besonderer Fokus auf dem Geraer Ableger der Neuen Stärke liegt: Auf ihrer Homepage verkündet die NSP, dass Gera mit technischem Equipment („Pavillon, Tisch, Lautsprecheranlage, Stromgenerator, Banner, Fahnen und Werbematerialien“) für das „Kampfjahr 2022“ bedacht wurde.
Eine zwei Monate im Voraus beworbene Demonstration der Neuen Stärke fand am 11.12.2021 in Gera aufgrund der Pandemiebeschränkungen nur als Kundgebung statt. Vor dem Stadtmuseum kamen 10-15 Personen zusammen, Redebeiträge wurden dabei u.a. von Maik Querengäßer aus Eisenberg, Pascal Chmielewski aus Gera und Sabrina Töpfer aus Erfurt gehalten. Die Nazi-Veranstaltung ging in zivilgesellschaftlichem und antifaschistischem Gegenprotest und abgeschirmt durch Polizeifahrzeuge weitgehend unter.
Während die eigenen Veranstaltungen sich auch in Gera als nicht besonders zugkräftig und anschlussfähig erwiesen, nimmt die Neue Stärke Gera seitdem eine besondere Rolle bei den sogenannten Spaziergängen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie ein, wie wir bereits berichteten. Woche für Woche laufen Teilnehmende der Proteste neben den in der Regel durch Schlauchtücher mit sichtbarem Neue Stärke-Emblem zu erkennenden Neonazis. Dabei treten diese militant als Block u. a. mit Pyrotechnik und in einheitlicher Kleidung auf.
Die derartige Uniformierung war Anlass für die Polizei, mehrere Personen der Neuen Stärke am 10.01.2022 festzusetzen und in Gewahrsam zu nehmen.
Die Beteiligten wurden wegen Verstoß gegen das Uniformierungsverbot in einem Schnellverfahren in Gera verurteilt, unter ihnen der Neue Stärke-Bundesvorsitzende Bryan Kahnes.
Bereits vor der Verhandlung hielt die NSP vor dem Amtsgericht eine Kundgebung unter dem Motto „Wir lassen uns nicht kriminalisieren! Gemeinsam gegen staatliche Repression” ab, bei der auch die Erfurter Kader Fischer und Biczysko anwesend waren.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist für die Neue Stärke ein willkommener Anlass zur Selbsterhaltung. Auf ihrer Homepage mahnt die Partei Solidarität mit der Ukraine an – damit meint sie eigenen Angaben zufolge ihre „weißen Brüder in der Ukraine“, denn es gehe bei diesem Krieg „um unsere weiße Rasse“. Der Krieg wird umgedeutet zum rassistischen Befreiungskampf gegen einen fantasierten Kommunismus von Putins Russland.
Kahnes und andere Nazis der Neuen Stärke fuhren Anfang März in die Grenzregion zur Ukraine, um den Schulterschluss mit ukrainischen Nazis zu suchen, scheiterten aber am Grenzübertritt und kehrten enttäuscht nach Deutschland zurück – nicht ohne sich selbst trotz gescheiterter Mission via Youtube-Videos zu inszenieren.
Bryan Kahnes
Der Geraer Bryan Kahnes wurde im November 2021 neben Michel Fischer zum Bundesvorsitzenden der NSP gewählt.
Kahnes (*1994) gehörte ab 2011 zum Umfeld der Autonomen Nationalisten und besuchte in dieser Zeit zahlreiche Demonstrationen der NPD, etwa in Halle und Gera, und das Neonazifestival Rock für Deutschland.
2012 bewegte sich Kahnes weiterhin im Kreis der NPD und besuchte etliche ihrer Veranstaltungen. Vorgestellt als „parteiunabhängiger Kamerad“ hielt er am 17.06.2012 eine Rede auf einer Geraer NPD-Demonstration.
Seit 2018 war Kahnes wieder verstärkt in der Region und überregional aktiv, er nahm nicht nur am Nazi-Festival Rock gegen Überfremdung in Apolda teil, sondern reiste zusammen mit anderen bundesweit bekannten Neonazis am 10.11.2018 zur Solidaritätsdemonstration für die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck bis nach Bielefeld. Kahnes fuhr dabei stets in Begleitung der einschlägig bekannten Naziaktivistin Beatrice Fischer.
Ebenfalls 2018 wendete sich Kahnes der faschistischen Partei III. Weg zu, der er bis 2020 verbunden blieb. Gemeinsam mit anderen III. Weg-Kameraden besuchte er bspw. Demonstrationen in Wunsiedel (Gedenkveranstaltung für Hitlerstellvertreter Rudolf Heß) und Berlin oder reiste nach Rom zur italienischen neofaschistischen Organisation CasaPound.
Im Februar 2020 nahm er wie eine Vielzahl anderer Geraer Nazis, darunter Vertreter der AfD, an einem der größten extrem rechten Aufmärsche Deutschlands, am geschichtsrevisionistischen sogenannten Trauermarsch, in Dresden teil.
Seit 2021 engagiert sich Kahnes für die Neue Stärke und ist als Bundesvorsitzender bei nahezu allen ihrer Veranstaltungen präsent.
Kahnes absolviert derzeit eine Ausbildung zum Wirtschaftsfachwirt und ist unter anderem wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisation und vorsätzlicher Körperverletzung vorbestraft.
Den Angaben im Impressum der Neuen Stärke-Homepage zufolge, wohnt Kahnes aktuell im Stadtteil Gera-Langenberg.
Maurice Mischek
Maurice Mischek kommt aus dem thüringischen Weida, wo er auch zur Schule gegangen ist.
Spätestens seit seiner Teilnahme an der rassistischen Thügida-Demonstration in Gera am 21.09.2018, die unter anderem vom kriminellen Greizer Neonazi David Köckert angemeldet wurde, ist Mischek reger Besucher rechter Veranstaltungen.
Im darauffolgenden Jahr nahm er im Gefolge des III. Wegs unter anderem an Demonstrationen in Plauen und Wunsiedel teil.
2020 entwickelte sich Michek vollständig zu einem der aktivsten Demotouristen der Region und reiste nach Dresden, nach Naumburg und nach Berlin, abermals unter den faschistischen Bannern des III. Wegs.
2021 schloss sich Mischek zusammen mit Bryan Kahnes der Neuen Stärke in Erfurt an. Seit ihrer Gründung ist Mischek Mitglied der Neuen StärkePartei und für den Ortsableger Gera unterwegs. Bei fast jedem Coronaprotest war Mischek seither in der Uniform der NSP mit seinen vermummten Kameraden Teil der Aufmärsche.
Mischek arbeitet seit 2018 für verschiedene Baufirmen in Gera und Umgebung, zuletzt für die Firma Gerüstbau Weida.
Weitere Mitglieder und Unterstützer
Sonny Schmidt
Schmidt ist Mitglied der NSP und beteiligte sich an einigen ihrer Veranstaltungen, so zum Beispiel am 22.01.2022 bei einem Naziaufmarsch der JN und der Neuen Stärke in Magdeburg.
Wie auch sein Freund und Kamerad Markus Dettler arbeitete Schmidt in der Vergangenheit für die Securityfirma SUP.
In den sozialen Netzwerken ist Schmidt unter dem Namen „Schmidti Bande“ oder „Hans Peter“ zu finden.
Pascal Chmielewski
Enrico Jahn
Sebastian Rubner
Maik Querengäßer
„Resterampe“ oder neu und stark?
Das Erscheinungsbild der Neuen Stärke mit ihrem uniformierten Dresscode, der militaristischen Symbolik, den Fahnen, der damit verbundenen Einheitlichkeit und ritualhaften Disziplin, ist unverkennbar an faschistischen Bewegungen geschult. Dass man damit wirbt „sportlich“ und „aktivistisch“ zu sein, das Versprechen zur Gewalt also schon im Slogan trägt, hat insbesondere für junge Menschen eine große Anziehungskraft. Auch wenn einige Personalien der Neuen Stärke szeneintern und -extern eher zur Belustigung zu dienen scheinen, sollte nicht unterschätzt werden, dass die derzeit weiter wachsende Struktur ein Sammelbecken für extrem Rechte in Thüringen und darüber hinaus darstellt.
Damit ist speziell in Gera ein neuer Anlaufpunkt entstanden, der die zerstreuten rechten Kräfte bündeln könnte – für all die, denen die NPD zu altbacken und die AfD nicht militant genug ist. Dass die sich unverhohlen als Nazis bekennenden Rechten der Neuen Stärke Woche für Woche unwidersprochen auf den sogenannten Spaziergängen gegen die Pandemiemaßnahmen mitlaufen können und das zweite Mal in drei Monaten eine eigene Demonstration in der Innenstadt abhalten, hilft ihnen bei ihrer Vermarktung und der Rekrutierung ungemein. Wir hoffen, dass Recherchen wie diese dazu beitragen, dass die Neue Stärke künftig weniger Erfolg hat, vermummt unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit zu tauchen.
Während Rechercheportale und Twitteraccounts (bspw. Querleaks oder Ostthüringer Divan) seit Beginn der Pandemie unermüdlich und mit großem Engagement herausarbeiten, dass die sogenannten „Spaziergänge“ – auch die Geraer „Montagsspaziergänge“ – unter wesentlicher Beteiligung rechter Strukturen stattfinden, wird von Mitlaufenden und Daheimgebliebenen wahlweise so getan als wisse man von nichts oder als sei der Schulterschluss mit rechts im Dienste der Sache unvermeidlich.
Mit einer erneuten Zusammenstellung einiger, die in Gera seit 20.12.2021 mitgelaufen und konstant beteiligt sind, muss noch dem und der Letzten klar werden, dass man auf den „Spaziergängen“ unweigerlich Seite an Seite mit RassistInnen, AntisemitInnen, organisierten VertreterInnen der extremen Rechten und Verschwörungsgläubigen läuft.
Christian Bärthel ist ein seit Mitte der 90iger Jahre aktiver Nazi aus Ronneburg bei Gera. Er war Mitarbeiter des sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Peter Klose in Zwickau. Bärthel ist Verschwörungsgläubiger und Anhänger der Reichsbürgerbewegung. In seine evangelikale Mission mischen sich ein teils aggressiver Antisemitismus und religiös aufgeladener Geschichtsrevisionismus. Wegen Volksverhetzung und Verharmlosung des Holocausts wurde er bereits mehrfach angeklagt und verurteilt. Er ist Mitglied der extrem rechten Vereinigung Patrioten Ostthüringen und Vortragsredner zu deren Veranstaltungen.
Beatrice Fischer agiert als Nazi-Aktivistin seit 2010/2011 vor allem im Umfeld der NPD und der Kleinstpartei III. Weg. Von Nazi-Festivals und Konzerten über Demos zur Unterstützung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck und geschichtsrevisionistische Aufmärsche bis hin zu Veranstaltungen der AfD ist Beatrice Fischer auf einer Vielzahl von Events der extremen Rechten zugegen. Seit deren Beginn nimmt sie an den Protesten der Pandemieleugner*innen in Gera teil. Eine detailliertere Zusammenstellung ihrer Aktivitäten lässt sich hier finden.
Christian Gentzsch ist ein seit 2010/11 aktiver Nazi aus Greiz und später Gera. Er nimmt an vielen unterschiedlichen Veranstaltungen der extremen Rechten in der Region, aber auch überregional teil. Darunter fallen Festivals, Aufmärsche von der Kleinstpartei III. Weg, Thügida und Aktionen der NPD. 2014 kandidierte er für die Greizer Kommunalwahlen auf der NPD-Liste. Zwischen 2012 und 2017 übernahm er regelmäßig Helfertätigkeiten und Ordnerfunktionen auf dem NPD-Festival Rock für Deutschland in Gera. Bei den Protesten der Pandemieleugner*innen in Gera ist er vom Beginn im Frühjahr 2020 an mit dabei.
Christian Klar kann auf eine lange Karriere als aktiver Nazi zurückblicken. Er zählte bereits um 2000 zu den Kontakten des Thüringer Blood-&-Honour-Sektionsleiters und NSU-Unterstützers Marcel Degner. Belegen lassen sich sehr viele Teilnahmen an Veranstaltungen und Aufmärschen von extremen Rechten. Ein guter Überblick über seine Aktivitäten lässt sich hier finden. Klar kann getrost als einer der Organisatoren der Geraer „Spaziergänge“ bezeichnet werden; in diversen Telegramposts brüstet sich Klar selbst mit der Planung und Durchführung. Inmitten der Pandemieleugner*innen gibt er sich betont aktivistisch, fordert andere Teilnehmende zum Widerstand gegen Polizist*innen auf oder dirigiert mit „Ansagen“ die eigentlich verbotenen Aufzüge.
Marek Hallop aus Gera bezeichnet sich selbst als Reichsbürger. Er tauchte um 2012 bei Geraer NPD-Aufmärschen und später bei etlichen Thügida-Demos des extrem rechten David Köckert auf. Bereits im Frühjahr 2020 beteiligte er sich an den ersten Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. An organisatorischen Fragen scheiterte er aber mit seiner selbst angemeldeten Demo am 16.05.2020. Trotzdem ist er weiter bei allen Aktionen und Protesten der Pandemieverharmloser*innen in Gera mit von der Partie. Dabei tritt er manchmal sehr martialisch auf, schreit anwesenden Polizist*innen seinen Hass auf den Staat entgegen und versucht so andere Teilnehmer*innen zum Widerstand zu motivieren.
Frank Haußner ist ein Dachdecker aus Zeulenroda. Er kann ähnlich wie Christian Klar zum Initiatoren- und Organisatorenkreis der Geraer „Spaziergänge“ gezählt werden. Haußner begann ab 2018 sich mit dem Pegida-Umfeld, dem Kreis um Götz Kubitschek und AfD-VertreterInnen zu vernetzen. Dazu ist er Sprecher der extrem rechten Vereinigung Patrioten Ostthüringen. Frank Haußner ist in der Region Ostthüringen Initiator vieler Aktionen von Pandemieverharmloser*innen. Seine Redebeiträge bei diesen Gelegenheiten zeugen von seinem tief verschwörungsgläubigen Weltbild mit deutlich antisemitischen Inhalten.
Andre Hebestreit ist ein sehr aktiver Nazi aus Gera. Er war regelmäßig Helfer und Ordner auf dem NPD-Festival Rock für Deutschland in Gera. Er war Mitglied der ehemaligen Geraer Kameradschaften Vollstrecker und Volkszorn. Auf NPD-Demos übernahm Hebestreit immer wieder Ordnerfunktionen. 2014 kandidierte er bei der Kommunalwahl auf der Liste der NPD für den Geraer Stadtrat. Regional fährt Hebestreit sehr gern zu Nazi-Demos oder Festivals.
Michael Hesse ist ein langjähriger Nazi aus Gera. Er stammt aus dem kameradschaftlichen Umfeld und ist schon als Jugendlicher 1999 bei Aktionen der extremen Rechten zu identifizieren. Anfangs gerierte er sich als Anti-Antifa-Fotograf, mittlerweile betreibt er einen Youtube-Kanal und filmt nahezu jedes Event der Pandemieleugner*innen in Gera. In der Vergangenheit ließ er über NPD-Festivals, geschichtsrevisionistische Trauermärsche oder die Aufmärsche von Thügida keine Gelegenheit aus, zu zeigen welches Geistes Kind er ist. In der Thüringer Naziszene gilt er als gut vernetzt und reist auch überregional zu Nazigroßveranstaltungen in Deutschland.
Beatrice Koschmieder ist eine Geraer Tätowiererin und die langjährige Freundin von Michael Hesse. Sie arbeitet mit dem äußerst gewaltbereiten rechten Schläger Enrico Koop in einem Studio. Sie nahm in der Vergangenheit regelmäßig am Geraer NPD-Festival teil und lief bei den Thügida-Demos des extrem rechten Greizers David Köckert mit. Gemeinsam mit ihrem Partner Hesse reist sie gern regional und überregional zu einschlägigen Szeneevents wie den Nazifestivals in Themar oder nach Berlin zu rechten Großdemos. Natürlich war Koschmieder bei fast allen Aktionen gegen Corona Schutzmaßnahmen in Gera dabei.
Andreas Thomä ist Mitglied der Patrioten Ostthüringen aus Gera. Er filmt sehr viele Aktionen dieser extrem rechten Vereinigung, betreibt einen gleichnamigen Youtube-Kanal und veröffentlicht dort seine semi-professionell bearbeiteten Videos. Er filmt dabei auch immer wieder Protestierende gegen rechte Aktionen ab und markiert gezielt Journalist*innen, in dem er in extreme Zeitlupe umschaltet, um die Personen besser erkennbar zu machen. Führt man sich vor Augen, wie viele Journalist*innen von Nazis im Rahmen der sogenannten „Spaziergänge“ bundesweit angegriffen wurden und werden, zeigt sich die Perfidie und ideologische Skrupellosigkeit eines solchen Vorgehens.
Josef Höschler ist ein umtriebiger Nazi aus Ronneburg bei Gera. Anfang der 2000er Jahre war er aktiv in Führungspostitionen von Ronneburger Kameradtschaften. Er geriet recht schnell als Sammler von Nazi- und Weltkriegsdevotionalien in das Visier der Polizei, auch weil er Bilder von scharfen Waffen in sozialen Netzwerken postete. Hausdurchsuchungen waren die Folge. Später war er stets fleißiger Helfer sowie Ordner auf dem Geraer NPD-Festival und Teilnehmer an Demonstrationen oder Kundgebungen der Geraer NPD. Die rassistischen Mobiliserungen von Thügida erreichten auch Höschler. Zuletzt versuchte er sich 2019 als extrem rechter Konzertveranstalter in Ronneburg. Wie er selbst im Internet mitteilte, geriet er dabei wiederum ins Visier des Verfassungsschutzes.
Enrico Kopp ist ein gewaltbereiter und vielfach vorbestrafter Nazi-Schläger. Er betreibt das Tattostudio Köngisklasse in Gera. Vor allem bei der rassistischen Mobilisierung von Thügida zwischen 2015 und 2018 war Kopp aktiv. Thügida wurde in dieser Zeit maßgeblich durch den Greizer Nazi David Köckert initiiert und vorangetrieben. Kopp war auf vielen Aktionen dieser extrem rechten Vereinigung aktiv. Als 2020 die Mobilisierung der Proteste der Pandemieleugner*innen an Fahrt aufnahm, war Kopp ebenfalls von Beginn an dabei.
Steve Krüger ist ein Geraer Nazi, welcher vor allem zwischen 2010 und 2014 in der Geraer Kameradschaft Vollstrecker aktiv war. Diese gebärdete sich sehr aktivistisch und war subsumierbar unter dem Label der autonomen Nationalisten. Ihre Mitglieder waren in Gera für zahlreiche extrem rechte Schmiereien und Übergriffe auf Menschen, die nicht in ihr Weltbild passten, verantwortlich. Mitglieder der Vollstrecker wie Steve Krüger übernahmen für den örtlichen Kreisverband der NPD auch immer wieder organisatorische Aufgaben. So war Krüger regelmäßig als Ordner auf dem Geraer NPD-Festival, Demonstrationen und anderen rechten Kundgebungen tätig.
Kay Lange spielte bei dem Geraer Fußballverein BSG Wismut Gera als Torwart in der 1. und 2. Mannschaft. Aufgefallen ist er immer wieder mit eindeutiger Nazikleidung und Symbolik. Außerdem machte Lange mit rassistischen Sprüchen auf dem Fußballplatz und im Umfeld wiederholt unangenehm auf sich aufmerksam. Er ist mit anderen einschlägigen Nazis Mitglied in der Wismut-Fangruppierung Reußenfront, die sich zudem im Umkreis des Motorradclubs Stahlpakt Gera bewegt. Dort sind ebenfalls langjährige Nazis aus rechtsmilitanten Strukturen aktiv. Lange begleitete die Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie von Beginn an.
Fabian Matthes ist ein Geraer Nazi aus dem aktionistischen Umfeld diverser Geraer Nazikameradschaften. Er begann sein Engagment in der extrem rechten Szene um das Jahr 2010. Seitdem verankerte er sich immer tiefer in der Szene und festigte sich ideologisch. Er nahm an unzähligen Aufmärschen und Festivals teil und besuchte darüber hinaus Buchlesungen von Udo Voigt in der extrem rechten „Bildungsstätte“ Rittergut Guthmannshausen oder den von Nazis aus ganz Europa abgehaltenen faschistischen „Tag der Ehre“ in Budapest 2019. Auf der ersten spontanen Demo gegen die Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nahm Fabian Matthes mit einem Solidaritäts-Shirt für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck teil. Seither taucht er regelmäßig auf den „Spaziergängen“ auf.
Peter Pichl ist ein langjähriger Aktivist der extremen Rechten aus dem Geraer Kameradschaftsmilieu. Viele Jahre war er in der NPDaktiv und übernahm Funktionen bei Aufmärschen, Festivals und Kundgebungen. Bis 2014 saß Pichl für die NPD im Gerarer Stadtrat. Mittlerweile hat er jedoch erfolgreich bei der AfD angedockt und ist Mitarbeiter des Thüringer AfD-Landtagsabgeordneten und unterlegenen Oberbürgermeisterkandidaten Dieter Laudenbach. Über die Hintergründe und Verstrickungen Pichls von der NSU-Geburtsstätte Thüringer Heimatschutz bis zur Geraer AfD berichteten wir an anderer Stelle bereits ausführlich.
Jens Peisker ist ein Nazi aus dem Umfeld des Geraer Motorradclubs Stahlpakt. Hier tummeln sich etliche Kader von Thüringer Nazi-Organisationen. Im örtlichen Vereinsheim wird jährlich die Wintersonnenwende gefeiert und auch sonst finden sich dort viele Bezüge zum Nationalsozialismus wie zum Beispiel Wehrmachtsnummernschilder und deutsche Dekowaffen aus dem 2. Weltkrieg. Peisker nahm unter anderem 2018 am Thügida-Aufmarsch in Gera teil.
Felix Staps ist ein Nazi aus dem Umfeld der mittlerweile aufgelösten rechtsoffenen Ultra-Gruppierung Ultras Gera 99 und nach wie vor aktiver Fan der BSG Wismut Gera. Seine Aktivitäten haben sich zuletzt auf die Nazi-Fangruppierung Reußenfront ausgeweitet. Staps beteiligte sich an mehreren regionalen Naziaufmärschen wie bspw. den Thügida-Demonstrationen 2016 in Jena und 2018 in Gera. Bei dem Überfall von Nazis auf Leipzig-Connewitz am 11.01.2016 koordinierten Staps und sein Umfeld die Thüringer Anreise, bevor sie von der Polizei festgesetzt wurden. Staps nimmt seit Ende 2021 regelmäßig an den Aktionen der Geraer Pandemieleugner*innen teil.
Lars Weber ist ein Geraer Security-Unternehmer und Nazi-Kampfsportler. Sein Unternehmen (Alpha DSD) bietet Sicherheitsdienste und eine Detektei an. Als Kampfsportler trainierten in seinem Gym verurteilte Holocaustleugner wie Marcel Wöll gemeinsam mit Geraer Nazihools. 2013 wurde Weber kurzzeitig Präsident des Geraer Fußballvereins BSG Wismut Gera. Er musste jedoch bald aufgrund seiner Naziverstrickungen zurücktreten. Da er eine Unterlassungsklage verlor, darf Weber seitdem rechtskräftig als Nazi bezeichnet werden. 2018 besuchte Weber die Veranstaltung Rock gegen Überfremdung in Apolda, die wegen massiver rechter Ausschreitungen mit mehreren Verletzten von der Polizei aufgelöst werden musste. Lars Weber nimmt regelmäßig an Aktionen der Geraer Pandemieleugner*innen teil.
Fabian Eller gehört zur extrem rechten Vereinigung Patrioten Ostthüringen, deren Sprecher der verschwörungsgläubige Antisemit Frank Haußner ist. Eller nimmt regelmäßig an Veranstaltungen dieser Vereinigung teil. Zum Volkstrauertag 2020 in Gera legte er auf dem Ostfriedhof bei dem geschichtsrevisionistischen „Heldengedenken“ den Trauerkranz der Patrioten Ostthüringen ab. Neben den Besuchen einschlägiger Nazidemonstrationen (2019 bei der Identitären Bewegung in Halle, 2020 beim jährlichen geschichtsrevisionistischen Aufmarsch in Dresden) ist Eller auch auf AfD-Veranstaltungen häufig Teilnehmer: so zum Beispiel in Gera im Oktober 2020 oder in Weida im Mai 2021. Fabian Eller war von Beginn an bei den pandemieverharmlosenden Protesten dabei.
Evelyn Gropp ist im Stadtverband der AfD Gera seit 2020 die stellvertretende Sprecherin. Sie ist Rentnerin, studierte Kultur- und Literaturwissenschaftlerin und nach eigener Aussage jahrelang im Kulturbereich der Stadt Gera tätig gewesen. Heute schreibt Sie häufig im kostenlosen Hetzschmierblatt Neues Gera, welches von ihrem Parteikollgen Harald Frank herausgegeben wird. Hier teilt Gropp verschwörungsgläubige Legenden rund um die Coronapandemie, positioniert sich gegen die Aufnahme von geflüchteten Menschen oder bekennt sich, anlässlich des Volkstrauertages, zur Mitgliedschaft in der extrem rechten Vereinigung Patrioten Ostthüringen. Dort ist Gropp mit ihren verschwörungsgläubigen, antisemitschen und extrem rechten Postitionen bestens aufeghoben.
Eric Vogelgesang war zunächst Mitglied der Jungen Union. Aufgrund extrem rechter Äußerungen auf seinem Twitterkanal, die nicht mehr mit dem Grundgesetz und der Mitgliedschaft in der Jungen Union vereinbar waren, wurde er aus der Jugendvereinigung ausgeschlossen. Aus den selben Gründen kam es kurze Zeit später auch zum Ausschluss aus dem Jugendrat Gera, wie Vogelgesang auf Telegram mitteilte. Inzwischen ist er Mitglied bei der Jugendorganisation der AfD und fühlt sich dort inhaltlich offensichtlich gut aufgehoben und wird akzeptiert. Eric Vogelgesang läuft regelmäßig bei den als spontan inszenierten Aufmärschen mit. Gut gefällt er sich dabei in seiner Rolle als redenschwingender Anheizer. So hielt er am 18.01.2022 von der Terasse des Kultur- und Kongresszentrums Gera eine Rede gespickt mit dreisten Lügen, die bei dem verschwörungsgläubigen Publikum gut ankam.
Kay-Uwe Rath ist ein Nazi aus Bad Köstritz, der sich schon als Teenager in extrem rechten Kreisen bewegte. Bereits 2007 tauchte er auf Kundegebungen der NPD in Gera auf. Seitdem war er stets Helfer und Ordner auf dem Geraer NPD–Festival Rock für Deutschland. Ausgehend vom Umfeld diverser Kameradschaften, welche der Szene der autonomen Nationalisten zugeordnet werden konnten, nahm Rath zwischen 2007 und 2019 an nahezu allen öffentlichen Veranstaltungen von NPD und Kameradschaften in Gera teil.
Ernst Herzum ist ein im Geraer Nazimilieu fest verankerter älterer Herr. Er umgibt sich immer wieder mit etablierten Figuren der extremen Rechten wie Christian Bärthel oder dem Greizer David Köckert. 2015 nahm er in Naumburg/Saale an einer Veranstaltung mit der verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck teil, reiste 2019 zu einer Demonstration der Identitären Bewegung in Halle und besuchte 2020 den geschichtsrevisionistischen Nazi-Trauermarsch in Dresden. Herzum ist auf fast jeder Veranstaltung der Geraer AfD wie dem Volkstrauertag auf dem Ostfriedhof oder Demos gegen die Aufnahme geflüchteter Menschen zu finden. Darüber hinaus besuchte er alle Thügida-Mobilisierungen in Gera.
Jörg Krautheim ist ein seit Anfang der 90iger Jahre in Gera aktiver Nazi. Er war in verschiedenen Organisationen der extremen Rechten wie der im Thüringer Heimatschutz organisierten Kameradschaft Gera, der FAP, der NPD und zuletzt der Partei Die Rechte aktiv. Dabei fungierte er stets als Bindeglied zwischen in Parteien organiserten Nazis und autonomer agierenden sogenannten „freien Kräften“. Seit 2015 nahm Krautheim an rassistischen Mobiliserungen vom Altenburger Bürgerforum und Wir lieben Gera gegen die Aufnahme von geflüchteten Menschen teil. Dabei übernahm er organisatorische Aufgaben. Ralf Wohlleben, verurteilter NSU-Helfer, benennt ihn im Münchner Prozess als Teil der Nazi-Unterstützerstrukturen in Thüringen.
Luca Strobel ist ein jugendlicher extrem rechter Aktivist aus Wünschendorf bei Gera. Er wurde 2021 fester Bestandteil der neonazistischen Kleingruppe Freie Jugend, die er maßgeblich koordiniert. Er nahm seither an vielen sogenannten „Coronaprotesten“ in Gera, Greiz und Zeulenroda teil, bei denen man sich mit Fahnen und Pyrotechnick inszenierte. Strobel ist mit seiner Freien Jugend auffällig stark an etablierte Nazinetzwerke wie die Patrioten Ostthüringen, die Neue Stärke Partei und die AfD angebunden. Über den Online-Shop des einschlägig bekannten Hallenser Nazis Sven Liebich vertreibt Strobel unter anderem Bekleidung der Freien Jugend. Mit Beatrice Fischer nahm Luca Strobel am 11.12.2021 an der Kundgebung der extrem rechten Kleinstpartei Neue Stärke in Gera teil.
Sidney Sambale ist ein auch in Gera sehr aktiver Nazi aus dem Burgenlandkreis. Er war 2010 Beisitzer im NPD-Kreisverband Burgenlandkreis und kandidierte 2014 zu den Kreistagswahlen für die dortige NPD. Sambale ist in den letzten 12 Jahren regional und überregional reger Besucher rechter Demonstrationen und Veranstaltungen, beispielsweise auf dem jährlichen NPD-Festival in Gera, das bis 2017 stattfand, darüber hinaus in Dresden zum Nazitrauermarsch, in Saalfeld am 01.05.2015 oder in Plauen am 01.05.2016. Sambale gehört zu den TäterInnen, die am 11.01.2016 den Leipziger Stadtteil Connewitz überfielen.
Reiko Pflug ist Mitglied im AfD-Stadtverband Gera und Mitarbeiter von Wolfgang Lauerwald, Fraktionsmitglied der AfD im Thüringer Landtag. Der gelernte Koch orientierte sich 2014 zunächst zum Kreisverband der NPD Gera und besuchte mehrere Kundgebungen, so unter anderem am 13.09.2014 zum Wahlkampf in Gera mit dem vorbestraften damaligen „Spitzenkadidaten“ der Thüringer NPD Patrick Wieschke. Seit 2016 hat er sich der AfD angeschlossen und ist von da an auf fast jeder Veranstaltung oder Aktion der Geraer AfD zu finden, stets auch als fleißiger Helfer beim Aufbau von Kundgebungen oder Organisation von Demonstrationen.
Maurice Mischek ist ein Nazi aus Weida, in der Nähe von Gera. Um 2018 schloss er sich der Nazi-Kleinstpartei III. Weg an und besuchte viele Kundegbungen und Demonstrationen, regional und überregional. So war er unter anderem bei Thügida-Aufmärschen in Gera, bei Demonstrationen vom III. Weg in Plauen oder beim geschichtsrevisionistischen Trauermarsch in Dresden dabei. Seit neuestem hat Mischek die Partei III. Weg verlassen und ist ihrer lokalen Alternative Neue Stärke beigetreten. Deren regionaler Verband Neue Stärke Gera läuft auch stets bei den „Montagsspaziergängen” mit.
Bryan Kahnes ist ein seit 2011 aktiver Geraer Nazi aus dem aktionistischen Kameradschafts- und Parteimilieu. Anfangs nahm er an fast allen NPD-Veranstaltungen in Gera teil, auf denen er u.a. Redebeiträge als „unabhängiger Kamerad“ hielt. Seit 2018 orientierte Kahnes sich zur extrem rechten Partei III. Weg. Als es 2020 zum Bruch der Thüringer Nazistrukturen mit dem III. Weg kam, mussten Kahnes und Kameraden sich neu organisieren. In der extrem rechten Kleinstpartei Neue Stärke fand Bryan Kahnes ein neues ideologisches Zuhause. Die Partei gründete am 01.05.2021 die Sektion Gera – mit der Übergabe einer Art „Standarte“ an Bryan Khanes wurde dies offiziell besiegelt. Im November 2021 folgte der erste Bundesparteitag der Nazi-Resterampe, auf dem Kahnes als einer von zwei Bundesvorsitzenden der Neue Stärke Partei (NSP) gewählt wurde. Diese Partei zeichnet sich wie schon der III. Weg durch nationalsozialistische Anleihen in Symbolik und Auftreten ihrer Mitglieder aus.
Michel Fischer, ein Nazi aus Tannroda im Weimarer Land, kann eine lange Karriere in der extremen Rechten vorweisen. Seit 2011 bewegt er sich auf unterschiedlichsten Demos in Thüringen und ganz Deutschland. Fischers Weg ging dabei über Kameradschaften wie die Aktionsfront Erfurt aber auch Parteistrutkuren wie Die Rechte und den III. Weg. Aufgrund seiner Persönlichkeit und seines blinden Aktionsismus ist er in der Szene durchaus höchst umstritten und überwarf sich in der Vergangenheit immer wieder mit den Gruppen, in denen er sich organisierte. Symptomatisch für Fischers Horizont ist ein Fall, bei dem er 2013 in Tannroda gemeinsam mit seinem Vater ein Kind verprügelte, von dem er behauptete, dass es Naziaufkleber entfernt hätte. 2013 kommt es durch Inititive der NPD schließlich zu einer Distanzierung fast aller Thüringer Nazigruppen von seiner Person, der „Spalterei“, „Profilneurose“ und „qualitativ minderwertige Veranstaltungen“ vorgeworfen wurden. Michel Fischer jedoch bleibt der Szene treu und ist heute neben Bryan Kahnes der zweite Bundesvorsitzende der Nazipartei Neue Stärke.
Sabrina Töpfer ist ebenfalls Parteimitglied bei der den Nationalsoziamismus verherrlichenden Partei Neue Stärke. Sie stammt nach eigenen Angaben aus Magdeburg und wohnt offenbar mittlerweile in Erfurt. Auf Veranstaltungen oder Demonstrationen der Neuen Stärke trat Töpfer immer wieder als Rednerin auf, zum Beispiel am 11.09.2021 in Braunschweig und am 11.12.2021 bei der Kundgebung in Gera. Sie lief regelmäßig mit anderen VertreterInnen der Neuen Stärke auf den sogenannten „Spaziergängen“ in Gera mit.
Florian Rassbach ein Nazi aus Erfurt. Er gehört zum Nachwuchs der Neue Stärke Partei und trat bereits als Redner auf Kundgebungen der Partei in Weimar auf. Zur Kundgebung der Neuen Stärke am 01.05.2021 in Erfurt koordinierte er Anreisende. Rassbach war am versuchten Angriff auf das AJZ in Erfurt in der Nacht zum 03.10.2021 beteiligt. Seit Neuestem beteiligt er sich an Kundegebungen der Neuen Stärke in Gera und an den sogenannten „Spaziergängen“ am Montag.
Die Interpretation, dass die Proteste gegen Auflagen zur Eindämmung der Coronapandemie von extremen Rechten unterwandert sei oder dass die Bereitschaft zur Gewalt quasi von außen kommt, ist nicht richtig. Nazis, RassistInnen, Verschwörungsgläubige und AntisemitInnen sind, wie viele umfangreiche Artikel und Recherchen gezeigt haben, von Beginn an Teil dieser „Spaziergänge“ auch in Gera.
Geraer Nazis übernehmen Organisierungs- und Koordinierungsaufgaben. Bestes Beispiel hierfür ist Christian Klar: In Telegramchats kündigt er Feuerwerke und andere Überraschungen an – die vielen illegalen Feuerwerke standen oft als Signal für den Start der „Spaziergänge“. Er behauptete außerdem in Telegramgruppen, sich mit Polizist*innen abzusprechen.
Bei drohenden Auseinandersetzungen wird oft nach den „starken Männern“ gerufen; Konfrontationen mit Polizist*innen werden von einschlägig bekannten Nazis aktiv gesucht. In der (vermeintlichen) Anonymität von Telegram wird insbesondere von Rechten massiv zu Straftaten aufgerufen oder Andersdenkende, Vertreter*innen von staatlichen Institutionen und gewählte Mandatsträger*innen bedroht. Wie das Beispiel Gera zuletzt zeigte, können diese Bedrohungen dann auch in der Anonymität einer größeren Masse ganz real umgesetzt werden:
So zog die als spontan inszenierte Demonstration am 18.01.2022 an der Wohnung des Geraer Oberbürgermeisters vorbei und erzeugte mit Taschenlampen, mit denen die Fenster abgeleuchtet wurden, und unter lautem Gebrüll eine Drohkulisse. Ein weiteres Beispiel aus Gera: Am 14.02.2022 wurden Menschen, die sich zuvor am solidarischen Gegenprotest beteiligt hatten, bis zum Büro der Linken verfolgt. Hier wurde dann mit „Volksveräter“-Rufen und starkem Trommeln an die Scheiben des Büros, den ins innere des Gebäudes Geflüchteten gedroht.
Gewalt gegen Andersdenkende, gegen Vertreter*innen von staatlichen Institutionen oder von Medien wurde immer wieder von Nazis propagiert und letzendlich praktiziert. Wenn „normale Bürger*innen” nun gemeinsam mit diesen auf „spontan“ inszenierten Demonstrationen laufen, wird das gewaltvolle Auftreten der Nazis letztendlich durch die Masse legitimiert. Dass Elemente der menschenverachtenden Ideologie dieser Nazis von Teilen der Bürger*innen übernommen werden, liegt nahe; eine Distanzierung davon findet nicht mehr statt. Sattdessen scheint die bereits seit längerem zu beobachtende verbale Radikalisierung immer mehr in offene Gewalt umzuschlagen.
Die „Bürgerlichkeit“ scheint verroht und der rebellisch-autoritäre Typus kommt vor allem in Ostdeutschland immer mehr zum Vorschein. In den neuen Bundesländern hat extreme rechte Gewalt seit den 90iger Jahren eine lange traurige Tradition: Zur Bürgerlichkeit im Osten gehört der Nazi aus den 90igern mittlerweile fest dazu. Hier wird sich eben nicht distanziert, man kennt sich und teilt auch noch die Erfahrung, wie einst ein verhasstes System durch Protest auf der Straße zusammenbrach.
Eine Pauschalisierung aller Menschen, die bei den sogenannten „Spaziergängen“ mitliefen, als Nazis liegt fern. Wer allerdings Seite an Seite mit Nazis läuft, wer sich nicht von verbaler Radikalisierung und handfesten Angriffen auf Andersdenkende distanziert, macht sich ganz einfach mitschuldig, wenn Nazis ihre menschenverachtende Ideologie mit Gewalt in die Tat umsetzen.
In Mitteldeutschland gehen aktuell flächendeckend Leugner*innen der Corona-Pandemie gemeinsam mit Neonazis auf die Straße. Ihr Protest soll sich nach eigener Aussage gegen die neuerlichen Maßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung des Corona-Virus und gegen die aufkommenden Debatten zur Einführung einer Impfpflicht richten. Doch viele Teilnehmende treten für eine anti-soziale, unsolidarische, wissenschaftsablehnende Gesellschaft ein, vielfach getragen durch den Glauben an im Kern antisemitische Verschwörungsmythen. In Thüringen fanden zuletzt bis zu 25 solcher Aufmärsche gleichzeitig statt. Die Teilnehmendenzahlen reichten dabei von wenigen Dutzend bis zu mehreren Tausend. So marschierten am 04.12.2021 ca. 1500 Menschen durch Greiz und geschätzte 3500 Personen am 03.01.2022 durch Gera. Allerorts gehören organisierte Neonazis zu den Teilnehmer*innen der Proteste, mancherorts gehen auch die Organisation und mediale Begleitung auf Nazistrukturen zurück. Markantestes Beispiel ist ein weiteres Mal Gera, wo ReichsbürgerInnen und Neonazis seit Mitte 2020 Proteste organisieren, denen sich hunderte Menschen anschließen. Bei der jüngsten Aktion des rechten Unternehmers Peter Schmidt verschenkte am 09.12.2021 in Gera ein als Weihnachtsmann verkleideter Neonazi-Aktivist Geschenke an Kinder, während ein verurteilter Shoa-Leugner christlich-fundamentalistische Kalender an Kinder und Nürnberger Kodizes an Erwachsene verteilte, um die Corona-Impfungen mit den NS-Menschenversuchen an KZ-Häftlingen zu vergleichen. Die Presse titelte dazu „Unternehmer überraschen Kinder“. Polizei und Verfassungsschutz verorteten, wie immer fehlinformiert, die Ostthüringer Mobilisierung bei den Freien Sachsen. Antifaschistische Recherche hat schon seit Beginn der Pandemie auf die Ostthüringer Nazistrukturen und ProtagonistInnen hingewiesen (Artikel zu Überschneidungen mit Thügida , Frank Haußner und der AfD, den Patrioten Ostthüringen, der Geraer AfD und den Nazistrukturen der „Miteinanderstadt Gera“), denen sich aktuell erneut hunderte rechte Bürger*innen anschließen. Mit dem folgenden Überblick soll ein weiteres Mal aufgezeigt werden, dass die Proteste keineswegs spontan oder bunt gemischt sind – sie werden überwiegend von organisierten Nazis geplant oder stellen eine Zusammenarbeit aus rechtsoffenen Bürgerlichen und Neonazis dar, die sich in ihrer antisemitischen Verklärung der Corona-Pandemie einig sind.
Jena
An den ersten Protesten gegen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz kamen in Jena Mitte 2020 verschiedene politische Spektren auf dem Holzmarkt zusammen: Eltern mit Kindern der Waldkindergärten oder der Waldorfschule, rechte Verschwörungsgläubige wie Winfried Merkel in Shirts mit „9/11 Inside Job“ oder Marcel Waschek von der neofaschistischen Identitären Bewegung. Die damals noch von „Widerstand 2020“ auch in Jena propagierte Vorstellung einer Meinungsdiktatur bildete das einende Band dieser Spektren. Bald gehörten auch der Neonazi-Hooligan Tilo Webersinke oder der Normannia-Burschenschafter und antisemitische Hetzer Wilhelm Tell (ehemals Die Republikaner) zu den regelmäßigen TeilnehmerInnen. Tell verbreitete Lügenmärchen, dass der antisemitische Attentäter von Halle ein von Behörden gesteuerter Migrant gewesen wäre und nennt Youtube bevorzugt „Judtube“. Webersinke schwadronierte jüngst via Telegram, dass man sich im „Krieg“ befände und er deshalb immer ein Messer bei sich trüge. Mit diesen Neonazis machen sich die Pandemieleugner*innen aus dem eher bürgerlichen Spektrum seither gemein. Auch an den antisemitischen „Ungeimpft“-Davidsternen störten sich die Jenaer Aktivist*innen bisher nicht. Sie stellen auch den bis heute harten Kern der „Freiheitsboten Jena“ mit ihrem Aktionsrepertoire der regelmäßigen Spaziergänge, Gesangsaktionen oder Tänze dar. Die „Freiheitsboten“ sind eine bundesweit agierendes Netzwerk von Pandemieleugner*innen, deren unzählige Lokalgruppen sich ursprünglich zur Verteilung von Flyern mit Desinformation gegründet hatten. Seitdem tauschen sie sich in Facebook- und Telegramgruppen aus und verabreden sich zu Aktionen. Dazu gehören neben der Musikerin Corinna Gehre auch Ivonne Nöhren von „Bürger für Thüringen“. Nöhrens Aktivist*innen waren es, die mit der zunächst erfolgreichen Klage gegen die Maskenpflicht für ihr Kind einem Weimarer Familienrichter eine Hausdurchsuchung einbrachte. Die Klage war inklusive Erfolgsversprechen vorab mit dem Richter über einen internen Kanal von Pandemieleugner*innen abgesprochen worden, der von Nöhren administriert wurde.¹ Der Schulterschluss zwischen Personen wie Nöhren und Gehre mit Antisemiten wie Tell und rechten Schlägern wie Webersinke wird hartnäckig mit ihrem Gerede von „Liebe und Toleranz“ und Weihnachtsliedersingen verschleiert. Mit Jens Thino Friedrich gehört ein weiterer gut vernetzter Rechter zu den Jenaer Organisator*innen der Proteste, der auch dem Reichsbürgerspektrum zugeordnet werden kann. Friedrich schreibt u.a. für das neofaschistische Compact-Magazin und gibt im Selbstverlag rechte Pamphlete heraus. Seit November 2021 kommen zu den wöchentlichen Aktionen auch die Höcke-Vertraute Wiebke Muhsal (AfD) oder der Neofaschist Lars Seyfarth, der zu den früheren politischen Weggefährten des NSU-Helfers Ralf Wohlleben zählt. Seyfarth, der 2016 aus dem Kreis Heilbronn zurück nach Jena zog, suchte zum Jahreswechsel 2011/2012 nach der Verhaftung des NSU-Helfers Kontakt zu dessen Frau, um Unterstützung anzubieten.
Kahla
In der Kleinstadt Kahla blieb es im Verlauf der Pandemie zunächst erstaunlich lange ruhig. Wie schon an anderer Stelle resümiert, ist die dortige rechte Szene durch Wegzüge von Führungskadern in einer gewissen Lethargie versunken. Die Kahlaer Aktivisten der neofaschistischen Gruppe Aufbruch & Erneuerung um Ralph Oertel beteiligten sich zwar mit Einzelpersonen an den Protesten von Pandemieleugner*innen in Leipzig oder Weimar, vermeiden es bislang aber, in Kahla offen aufzutreten. Am 03.12.2021 kam es dann zum ersten größeren Protest auf dem Kahlaer Markt, bei dem sich ca. hundert Personen rund um den Weihnachtsbaum versammelten. Aufbruch & Erneuerung verteilten nach Eigenangaben hundert Flyer. Kurz darauf rief die militante Neonazi-Aktivistin Franzy Schulz zu einer Wiederholung am 10.12. auf. Die maßgebliche Mobilisierung lief, wie schon zu früheren Anlässen, über die über 2000 Mitglieder große Facebook-Gruppe „Kahla – eine Stadt, eine Liebe“, zu deren Administrator*innen mit Evelyn Kruppe eine langjährige Rechte und gute Freundin von Schulz zählt. Als am 10.12. der Kahlaer Markt durch eine antifaschistische Kundgebung besetzt war, versammelten sich die Pandemieleugner*innen und Nazis vor der Kirche. Die Polizei stellte hier von 84 Personen Identitäten fest. Unter den Teilnehmer*innen waren neben einem Anhänger der Neonazi-Kleinstpartei Neue Stärke auch Evelyn Kruppe und der Jenaer Neonazi Lars Seyfarth. Seyfarth ist seit Wochen bei allen Aktionen der Pandemieleugner*innen in Jena dabei. Er war während seiner Zeit im württembergischen Enz-Kreis bei Die Rechte aktiv und zählt in Jena zum engen Umfeld der Burschenschaft Normannia. Mit Normannia-Mitgliedern führte Seyfarth 2016 Aktionen im Namen der Jenaer Ortsgruppe der Identitären Bewegung durch. Am 17.12. endete ein erneuter Protestspaziergang in Kahla im Polizeikessel. Hier war mit Marcel Waschek ein weiterer ehemaliger Aktivist der Identitären dabei, der inzwischen zu Aufbruch & Erneuerung gezählt werden kann.
Eisenberg
Schon zu Jahresbeginn formierte sich in Eisenberg ein neues Netzwerk von Pandemieleugner*innen unter dem Titel „Schweigemarsch Eisenberg“. Unter Führung von Heiko Donath, der bis dato noch nicht als politischer Aktivist in Erscheinung getreten war, wurde erstmals am 20.02.2021 demonstriert. Auf dem OTZ-Foto dazu war ein früherer Mitorganisator der neonazistischen Thügida-Aufmärsche mit Protestschild zu sehen. An der Kundgebung beteiligten sich auch der Eisenberger Bürgermeister Michael Kieslich und Thüringer CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt. Voigt meinte, man müsse „im Gespräch bleiben“. Vier Wochen später läuteten Voigts Gesprächspartner*innen dann zusammen mit Hermsdorfer und Stadtrodaer Pandemieleugner*innen die antisemitische „Aktion Kinderschuhe“ ein. Vor öffentlichen Verwaltungen wurden zahlreiche Kinderschuhe abgestellt, um vorgeblich für Kinderrechte zu protestieren. Die Shoa-relativierende Absicht der Aktion wurde danach von Vertreter*innen der jüdischen Gemeinde kritisiert, die daran erinnerten, dass diese Symbolik Teil der Gedenkkultur an jüdische Kinder ist, die in ehemaligen KZs ermordert wurden. Im Juni verkleideten sich Donath und KameradInnen dann für eine Kundgebung in schwarzen Kutten und posierten mit verschwörungsmythischen Schildern: „Zu lange sind wir den falschen Propheten gefolgt“. Am 25.11. stand Donath mit dem Antisemiten und Reichsbürger Frank Haußner vor einer Menge aus Neonazis, Hooligans, AfD-Abgeordneten und Shoa-LeugnerInnen in Gera, um die Menge zum Aufmarsch durch die Innenstadt aufzurufen.
Hermsdorf
Die Hermsdorfer Fotografin und Grafikdesignerin Annett Bräutigam schloss sich schon im März 2021 der antisemitischen „Aktion Kinderschuhe“ an. Im Herbst initiierte sie dann zusammen mit dem Eisenberger Heiko Donath „Ich mach da nicht mit!“. Gemeinsam organisierten die beiden in den vergangenen Monaten regelmäßige Montagsdemonstrationen in Hermsdorf, bei denen gegen die Pandemieschutzbestimmungen gewettert wird. Annett Bräutigam verkauft inzwischen auch Westen mit dem Schriftzug der Initiative. Am 15.11. gesellten sich zu den Organisator*innen des Protestes auch Frank Haußner aus Zeulenroda und Christian Klar aus Gera. Beide können zu den Patrioten Ostthüringen gezählt werden. Christian Klar ist schon seit über zwanzig Jahren Teil der Neonaziszene, damals noch im Umfeld von Blood & Honour Gera. Er war seit 2016 bei Thügida, dem III. Weg oder Solidaritätsaufmärschen für die Shoa-Leugnerin Ursula Haverbeck dabei und hat sich seit Mai 2020 stark in den Protesten gegen Corona-Schutzmaßnahmen engagiert. Zu den Hermsdorfer Mitorganisator*innen zählt auch Max Thomas, Torwart des SV Hermsdorf. Thomas nahm mit seinem Zwillingsbruder Paul am 1. Mai 2021 an der Kundgebung der Neonazi-Partei Neue Stärke in Erfurt teil. Am 20.11.2021 war Max Thomas auch bei der Kundgebung von Die Basis in Jena.
Stadtroda
Die Jenaer Aktionen werden schon seit vergangenem Jahr stark von Personen aus Stadtroda mitgetragen. Dazu gehört Saskia Graupe von der Pandemieleugner*innen-Partei Die Basis. Die Shoa-relativierende „Aktion Kinderschuhe“ wurde in Stadtroda von Grit Bruna-Schweitzer im Namen der „Freiheitsboten Holzland“ organisiert. Die „Freiheitsboten“ sind eine bundesweite Vernetzung von Pandemieleugner*innen, deren unzählige Lokalgruppen sich ursprünglich zur Verteilung von Flyern mit Desinformation gegründet hatten. Seitdem tauschen sie sich in Facebook- und Telegramgruppen aus und verabreden sich zu Aktionen. Mit Thomas Spreitzer aus Stadtroda wurde ein früherer Besucher des inzwischen abgerissenen Jenaer Wohnprojektes Am Inselplatz, der zeitweise zumindest als bauchlinks beschrieben werden konnte, zu einem der aktivsten Hetzer der Jenaer Pandemieleugner*innen. Spreitzer, Mitglied bei Die Basis, verbreitet auf dem Youtube-Kanal „Liebe & Wahrheit – Blumen der Freiheit“ Handyvideos, die Teilnehmer*innen der verschiedenen Aufmärsche aufnehmen. Darunter war auch die Rede von Frank Haußner in Weimar am 22.02.2021, in der er in seiner bekannten antisemitischen Manier gegen einen „aufgezwungenen Schuldkult wegen zwölf Jahren Geschichte“ hetzte, und von einem Volk schwadronierte, das „sich von dunklen Gestalten (…) mit Lügen in Todesangst versetzen“ und von „unproduktiven Parasiten“ ausbeuten ließe. Thomas Spreitzer verbreitete schon im Frühjahr 2020 im Netz Shoa-relativierende Bilder des Eingangs von Auschwitz mit „Impfen macht frei“ und kommentierte dazu: „Auschwitz gehörte der PHARMA! (…)“. Diese postete er auch in der von ihm administrierten Facebook-Gruppe „Freidenken in Jena…“, wo es keinerlei Widerspruch gab. In derselben öffentlichen Gruppe veröffentlichte er auch ungeschwärzte Screenshots von Chats linker Querdenken-Kritiker*innen, die er aus größeren Jenaer Chatgruppen kopierte.
Rudolstadt
Auf dem Marktplatz kamen am 26.11.2021 hunderte Menschen zusammen, viele davon mit Kerzen. Nachdem Familien mit Kindern ihre Teelichter rund um den Marktbrunnen aufgestellt hatten, marschierte geschlossen eine Gruppe jüngerer Neonazis, darunter Anhänger der Neue Stärke Erfurt mit Fackeln auf den Markt und nahm Aufstellung rund um den Marktbrunnen. In der Menge der Pandemieleugner*innen standen u.a. der Thügida-Mitgründer Ralf Gabel aus Kamsdorf und der frühere NPD-Politiker Matthias Brandt, Onkel des früheren Schwarzaer Neonazi-Kaders und NSU-Helfers Tino Brandt. Als die Polizei einen Teilnehmer zur Personalienfestellung abführte, bildete sich ein pöbelnder Mob, zu dem auch der Rudolstädter Neonazi Sebastian Hoffmann gehörte. Hoffmann ist Teil der militanten Naziszene und gehört zum engen Umfeld der Neonazi-Mafia Turonen – Garde 20. Wohlgemerkt ist es Rudolstadt gewesen, von wo aus der katastrophale Tod von bislang 28 Bewohner*innen infolge eines Corona-Ausbruchs in einer Pflegeeinrichtung bundesweite Aufmerksamkeit erreichte. Die Mehrheit der Verstorbenen war ungeimpft und darin auch massiv von ihren Angehörigen bestärkt worden. Hoffmann und Brandt gehörten auch im Neujahr zu den Teilnehmer*innen eines neuerlichen Aufmarsches am 03.01.2022. Bei allen Rudolstädter Aufmärschen seit Dezember 2021 liefen vermummte Anhänger der Neuen Stärke Partei mit Fackeln an der Spitze der Aufmärsche. Am 07.01.2022 wurden die lokalen Parteianhänger um Falk Seidl von den Erfurter Anführern der Kleinstpartei um Michel Fischer begleitet.
Saalfeld
In der Saalfelder Fußgänger*innenzone versammeln sich seit Wochen regelmäßig hunderte Menschen, um bei Kerzenlicht im Gedränge Glühwein zu trinken und damit ihren Protest gegen Gesundheitsschutzmaßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Hier standen sie am 01.12.2021 Seite an Seite mit Neonazi-Kadern wie Oliver Eismann aus Krölpa oder dem Neonazi-Hooligan Felix Reck, der für eine Reihe teils lebensgefährlicher Angriffe auf Antifaschist*innen und Fans des Carl-Zeiss-Jena verurteilt wurde. Auch Matthias Brandt und Ralf Gabel waren wieder bei den Saalfelder Versammlungen dabei. Zum 08.12. meldete dann der Landesvorsitzende von „Bürger für Thüringen“, Steffen Teichmann, eine Versammlung in Saalfeld an. Trotz seiner Beteuerungen, alle Auflagen respektieren zu wollen, kamen zu seiner Freude über 300 Menschen, die ohne Masken und Abstände die Fußgängerzone füllten.
Zeulenroda
In Zeulenroda wurden schon im vergangenen Jahr ausdauernde Proteste vom dort ansässigen Reichsbürger Frank Haußner organisiert. Hier hielten im Dezember 2020 u.a. der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald aus Gera und der Shoa-Leugner und Neonazi Christian Bärthel Redebeiträge am selben Pult. In Triptis, Neustadt/Orla und Zeulenroda geht die neuerliche Mobilisierung zu Aktionen gegen die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz erneut auch stark von der AfD Saale-Orla-Kreis Hartmut Lucas, Anja Bergneraus, deren Funktionäre Hartmut Lucas, Anja Bergner und Heiko Bergner de facto Teil der neonazistischen Netzwerke der Patrioten Ostthüringen sind. Auch Stadtrat Andreas Staps von Pro Zeulenroda läuft regelmäßig mit Trommeln an der Spitze der Aufmärsche. Staps verbreitet nicht nur jegliche rechte Verschwörungserzählung in Messenger-Diensten, sondern hat sich auch eine Reichsflagge und die Fahne der Patrioten Ostthüringen seines Zeulenrodaers Kameraden Frank Haußner in den Vorgarten gehängt. Weiterhin ist in diesem Kreis die 2021 entstandene neonazistische Kleingruppe Freie Jugend aktiv. Deren Protagonist Luca Strobel aus Wünschendorf/Elster verbreitete vom unangemeldeten Aufmarsch in Zeulenroda am 07.12.2021 Videos einer Pyrotechnik-Aktion. Strobel wuchs im Verlauf des Jahres 2021 vom Schüler-Aktivisten fest in die Netzwerke der AfD, Patrioten Ostthüringen und Neue Stärke Partei hinein. Am 11.12. beteiligte er sich dann neben der Neonazi-Aktivistin Beatrice Fischer an der Kundgebung der Neonazi-Kleinstpartei Neue Stärke in Gera. Die Freie Jugend vertreibt inzwischen auch eigene Kleidung über den Onlineshop des Hallenser Neonazis Sven Liebich. Am 15.1.2022 lief die Freie Jugend neben vermummten Anhängern von Neue Stärke an der Spitze des Aufmarschs durch Zeulenroda.
Greiz
Schon der Aufmarsch von Pandemieleugner*innen und Neonazis am 04.12.2021 in Greiz machte Schlagzeilen, weil er von den dutzenden Aktionen in Thüringen mit geschätzten 1500 Teilnehmer*innen zu diesem Zeitpunkt der größte Aufmarsch war. Hier liefen bereits zahlreiche Neonazis mit, wie an Jacken von Thor Steinar, Mützen in den Farben des deutschen Reichs oder Jacken der rechtsterroristischen Rockergruppe Brigade 8 zu erkennen war. Von der rechten Kleingruppe Freie Jugend, die sich aus den Ostthüringer Protesten gegen die Gesundheitsschutzmaßnahmen heraus gründete, wurde Pyrotechnik gezündet. Aus Westsachsen waren Aktivisten der militanten Kaderpartei Der III. Weg dabei. Reichsbürger Frank Haußner feierte die Protestierenden dafür, dass sie „… den BRD-Bütteln die Stirn bieten“.
Als sich am 11.12.2021 ein ähnlicher Aufmarsch in Bewegung setzte, blockierte die Polizei teilweise Straßen und wurde dafür von den Teilnehmer*innen mit Fäusten und Flaschen angegriffen. Vorneweg marschierte der Saalfelder Neonazi Ralf Gabel in einem Pulk von vermummten Anhängern der Neue Stärke Partei um Bryan Kahnes, die am Mittag noch in Gera eine kleine Kundgebung abgehalten hatten. Aus der Gruppe heraus wurde vielfach Pyrotechnik gezündet.
Gera
In Gera hatten bereits ab Mai 2020 die ersten größeren Aufmärsche von Bürgerlichen, Esoteriker*innen und Neonazis gegen die Corona-Schutzmaßnahmen stattgefunden. In unterschiedlicher Intensität und Zusammenstellung setzte sich dieses Geschehen über den Sommer und Winter 2020 fort. Ab Frühjahr 2021 etablierten sich dann die ReichsbürgerInnen und Neonazis aus den Kreisen der Patrioten Ostthüringen als HauptorganisatorInnen. An den insgesamt vier Autokorsos im April/Mai 2021 nahmen bis zu 150 Autos teil, teilweise mit schwarz-weiß-roten Fahnen verunziert. Als Hauptorganisator und Redner trat hier der verschwörungsideologische Antisemit Frank Haußner aus Zeulenroda auf, der kaum verschleiert zum Umsturz der staatlichen Verwaltung aufrief. Unter den Teilnehmer*innen waren Michael Hesse, der früher zur Kameradschaft Gera und damit dem Thüringer Heimatschutz gehörte, die III.Weg-Anhängerin Beatrice Fischer, aber auch AfD-Kommunalpolitiker wie Hartmut Lucas aus Burgk (Saale-Orla-Kreis). Nachdem im Sommer 2021 die Zahlen wieder auf nur 10-20 Teilnehmende sanken, bekamen die Geraer Aufmärsche ab November 2021 neuen Schwung. Unter dem Vorwand von vorweihnachtlichen „Lampionumzügen“ wurden in einer Kooperation des rechten Geraer Unternehmers Peter Schmidt, dessen neonazistischem Freund Christian Klar, Frank Haußner und dem Reichsbürger Marek Hallop mehrere Fackelmärsche abgehalten, an denen einige Hundert Menschen teilnahmen. Am 25.11. setzte diese Melange ihren Aufmarsch trotz eines landesweiten Demonstrationsverbots nach Verhandlungen mit der Polizei durch. Christian Klar lief als Weihnachtsmann verkleidet vorne weg, während ihm u.a. der bundesweit vernetzte Neonazi-Kampfsportler Martin Langner aus Schmölln, der verurteilte Shoa-Leugner Christian Bärthel aus Ronneburg, der Geraer Neonazi-Hooligan Felix Staps oder der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald folgten.
Am 09.12.2021 erreichte die Instrumentalisierung der Vorweihnachtszeit und von Kindern ihren vorläufigen Höhepunkt, als Peter Schmidt und seine inzwischen etablierte Neonazi-Struktur auf dem Hofwiesenparkplatz eine Weihnachtsmann-Geschenke-Aktion für Kinder organisierte. Christian Bärthel verteilte in Shoa-relativierender Absicht antisemitische Nürnberger Kodizes und die Neonazistin Beatrice Fischer schenkte Glühwein aus. Stargast war an diesem Abend der Chef der Thüringer AfD, Landolf Ladig alias Björn Höcke. Begleitet wurde Höcke von seinen zwei Mitarbeitern Martin Schieck und Robert Teske, die aus den Netzwerken der Identitären Bewegung kommen. Im Dezember entfaltete die Tätigkeit der Nazistruktur um die Patrioten Osthüringen ihre volle Wirkung, als am 21.12.2021 und 27.12.2021 jeweils 2000-4000 Menschen angeführt von regionalen Nazis und Rufen nach „Freiheit“ durch Gera zogen. Selbst aus Erfurt kam eine ganze Abordnung der Neonazi-Partei Neue Stärke nach Gera, denen die Erfurter Polizei Betretungsverbote für die Landeshauptstadt erteilt hatte. An vielen Orten in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen knüpften diese Proteste in revanchistischer Manier an Montagsproteste der DDR an. Staatliche Autoritäten bekamen die Veranstaltungen kaum unter Kontrolle und an vielen Orten in Thüringen konnten sich aggressive Neonazis und Bürgerliche ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei liefern. In Gera beschränkte sich die Polizei überwiegend auf das Regeln des Verkehrs um den Aufzug herum, statt gegen die massenhaften Verstöße gegen geltende Auflagen vorzugehen. Es bot sich ein düsteres Bild: Inmitten einer globalen Pandemie mit einem hochansteckenden Virus versammelten sich viele Personen überwiegend ohne Schutzmaßnahmen und trugen ihren Hass, gespeist aus antisemitischen Verschwörungsmythen, extrem rechten und anti-modernen Weltbildern und Ablehnung solidarischer Rücksichtnahme auf ihre Mitmenschen auf die Straße.
Die dadurch erfahrene Ermächtigung nutzten die Organisator*innen um den Neonazi Christian Klar, um am 18.1.2022 Hunderte von Pandemieleugner*innen zum Wohnhaus des Geraer Bürgermeisters zu mobilisieren, wo sie in der Dunkelheit Parolen skandierten und das Haus mit Taschenlampen beleuchteten. Klar steht symbolisch für die Verhältnisse in Gera, wo das Umfeld des NSU weiterhin politisch aktiv ist und kaum Widerstand aus der Gesellschaft erfährt. Christian Klar gehörte selbst zur Jahrtausendwende zu den Weggefährten des V-Mannes „Hagel“ und Sektionsleiters von Blood & Honour Thüringen, Marcel Degner. Klar zählte zu Degners näherem Umfeld und stand entsprechend auch mit seiner damaligen Handynummer in Degners Telefonbuch. Marcel Degner ließ nach dem Untertauchen des NSU-Kerntrios 1998 Einnahmen aus Rechtsrockkonzerten über Jenaer Kontakte an das Trio weiterleiten.
Gewalt mit Ansage
Infolge der Angriffe auf Polizist*innen in Greiz am 11.12.2021 meldete sich sogar die frischgebackene Bundesinnenministerin Nancy Faeser zu Wort. Und auch in Thüringen zeigten sich Öffentlichkeit und Politik überrascht von der Gewalt. Dabei sind solche Angriffe erklärter Teil der Taktik vom Anführer der Ostthüringer Proteste und Netzwerke, Frank Haußner. Haußner hatte mit den Patrioten Ostthüringen bei den Massenprotesten in Leipzig am 07.11.2020 eine Speerspitze mit ihren „Schuldig“-Schildern gebildet, die mehrere Reihen Bereitschaftspolizei durchbrach und so den Aufmarsch auf dem abgeriegelten Stadtring ermöglichte. Dieser Durchbruch hatte speziell auf die ostdeutsche Szene der Pandemieleugner*innen eine ähnlich mobilisierende Wirkung wie es die Belagerung der Bundestagsstufen mit Reichskriegsflaggen im August 2020 auf die gesamte rechte Szene hatte. Denn der mit Gewalt durchgesetzte Marsch auf dem Stadtring konnte in den eigenen Propagandanetzwerken als Anknüpfung an die Leipziger Montagsdemos vor dem Mauerfall 1989 dargestellt und zum Sieg über den mit der DDR gleichgesetzten BRD-Staat verklärt werden. Frank Haußner selbst analysierte diesen strategischen Moment in einem auf Facebook verbreiteten Statement, in dem er auch klarmachte, dass ihm die Querdenken-Organisator*innen zu friedlich sind, da sie bislang nicht zum völkischen Aufstand aufrufen:
Die Proteste der Pandemieleugner*innen sind mitnichten erst unter den Vorzeichen der seit dem 25.11.2021 eingeschränkten Versammlungsfreiheit in Gewalt umgeschlagen. Vielmehr ist diese Gewalt ein zentrales Ziel der Ostthüringer Netzwerke um Haußner, den Patrioten Ostthüringen und Teilen der AfD in Gera und dem Saale-Orla-Kreis, die seit Langem völlig offen den Umsturz propagieren. Antifaschistische Recherchen oder die zahlreichen Berichte der von Gewalt betroffenen Journalist*innen oder Gegendemonstrierenden am Rande von Aktionen der Pandemieleugner*innen haben dies von Beginn an bezeugt und analysiert.
Wie offen und kalkuliert die Gewalt der rechten Aufmärsche abläuft, verdeutlich ein Telegram-Post von Luca Strobel im Kanal der Freien Jugend: Ende 2021 verbreitete dieser ein Schaubild, das eine taktische Anleitung zum Durchbrechen von Polizeiketten darstellt. Betitelt als „gewaltfrei“ ruft Strobel dazu auf, mit Menschenmassen physischen Druck bis zum Durchbrechen von Polizeiketten auszuüben, während gleichzeitig links und rechts Teile der Masse ausscheren.
Autoritäre Freiheitskämpfer*innen
„Keine Diktatur!“ rufen die Gegner*innen von Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 allerorts. Sie berufen sich dabei wahlweise auf die Proteste vor dem Mauerfall 1989 oder auf den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Für die Gegenerzählung von individueller Freiheit werden sich zudem Slogans aus der antirassistischen, anti-Apartheids- oder feministischen Bewegung angeeignet. Hier zeigt sich der zutiefst autoritäre Charakter der Querdenker*innen und Pandemieleugner*innen: Es geht ihnen vor allem darum, dass sie ohne jegliche Rücksicht entscheiden wollen, wie sie sich im Kontakt mit anderen Menschen verhalten. Sie wollen ohne staatliche Vorgaben oder gesellschaftliche Aushandlung entscheiden, welche anderen Menschen sie in welcher Form einem erhöhten Ansteckungsrisiko mit Covid-19 aussetzen. Das Hinwegsetzen über die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen und die Ablehnung von sozialen Aushandlungsprozessen über solche, für viele Menschen existentiellen, Fragen, stellt ihrer Ideologie nach den Kern bürgerlicher Grundfreiheiten dar. Nun basiert die bürgerliche Ideologie tatsächlich auf dem (sozial-)darwinistischen Recht der*des Stärkeren. Wie wenig das mit Freiheit zu tun hat, kommt deren Vertreter*innen jedoch seither nicht in den Sinn. Wer etwa aufgrund einer verminderten Lungenfunktion nicht riskieren will, von hustenden Maskenverweigerer*innen im Zugabteil oder Büro angesteckt zu werden, meidet seit nun bald zwei Jahren das öffentliche Leben. Die absolute Minderheit der selbsternannten „Freiheitskämpfer*innen“ entscheidet somit über die Ausgrenzung dieser Mehrheit aus dem öffentlichen Leben und verschleiert diese autoritäre Haltung mit Schlagwörtern von Individualismus, Liebe und Freiheit.
Verschwörungsglauben – Antisemitismus
Bei weitem sind dies jedoch nicht alles „klassische“ Nazis, welche sich bei den aktuellen Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen versammeln. Die Demonstrationen vereinen Teilnehmende aus alternativen, ökologischen bis hin zu bürgerlich-konservativen, aber eben auch völkisch-nationalistischen Gesellschaftsspektren. Langjährig aktive Kader der extremen Rechten nutzen die Mobilisierungsfähigkeit dieses Potentials leidlich aus, in dem sie an vorhandene Einstellungsmuster dieser Bevölkerungsteile anschließen. Dazu haben sie hier natürlich auch ein an Größe nicht zu unterschätzendes Publikum für ihr antisemitisches, verschwörungsgläubiges und extrem rechtes Weltbild. Zu überlegen wäre, was dieses Publikum nun derart eint in dieser Zahl auf die Straße zu gehen und eben kein Problem mit diesen „klassischen“ Nazis zu haben. Zu nennen ist hier eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit unter einer Art Reflex der Antimoderne. Am ehesten äußert sich das vielleicht in der Ablehnung von Impfungen. Bündnisse mit völkischen und reaktionären Weltbildern liegen da auch historisch nicht so fern. Es ist in aktuellen soziologischen Debatten unbestritten, dass in Zeiten von existenziellen Krisen antisemitische und verschwörungsideologische Erklärungsmuster erheblich an Aufwind erfahren. Verschwörungsgläubige können für so hochkomplexe Fragen einfache „Erklärungen“ finden und statt sich mit gesellschaftlichen Problemen ernsthaft auseinanderzusetzen, wird die Schuld einer kleinen Gruppe zugewiesen. Zudem eint es unglaublich, zu einem quasi auserwählten Kreis zu gehören der die „Wahrheit“ erkannt hat. Die Ursache dafür, dass sich zu solchen „Erklärungs“-mustern nun auch Antisemitismus einfindet, ist wohl in der Vergangenheit zu suchen. Seit Jahrhunderten wird Jüdinnen*Juden die Schuld an Krisen zugewiesen und gleichzeitig unterstellt, sie würden mit dunklen Mächten das Geschehen steuern. Diese „Theorien“ sind nachgewiesenermaßen hunderte von Jahren alt und wurden in der Vergangenheit oft auch konfessionell begründet. Beunruhigend sind auf deutschen Demos von Pandemieleugner*innen unter anderem die gelben Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ oder „Impfgegner“. Das stellt eine Trivialisierung der Shoah dar. Träger*innen dieser Sterne setzen die deutsche Demokratie mit der Diktatur des Nationalsozialismus und sich mit den Opfern der Nazis gleich. Wäre diese Annahme, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie genauso schlimm wie der Nationalsozialismus sind, stimmig – dann hätte der nationalsozialistische Versuch der physischen Vernichtung der europäischen Juden keine Bedeutung mehr. Der Schluss zu Äußerungen von AfD Funktionären wie „Schuldkult“, „Erinnerungsdiktatur“, „Vogelschiss“ und Forderungen nach einer „geschichtspolitischen Wende“ liegt damit mehr als nahe. Man kann dies auch als Motive des Modernen Antisemitismus sehen. Dies alles lässt sich nun aktuell bei einer Vielzahl von Aktionen und Demonstrationen der Pandemieleugner*innen beobachten.
FreundInnen, UnterstützerInnen, SympathisantInnen der nationalsozialistischen Terrorgruppe NSU leben seit Jahrzehnten unbehelligt in Gera, führen ein ungestörtes, behagliches Leben und florierende Betriebe.
Es ist wesentlich den Untersuchungsausschüssen der Länder, den Hinterbliebenen der Opfer, Recherchegruppen und unabhängigen Initiativen zu verdanken, dass die Geschichte vom NSU, der nur zu dritt gewesen sei, in die Kategorie „Deutsche Märchenerzählungen“ gehört. Damit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt als Kerntrio über ein Jahrzehnt hinweg unentdeckt und mordend durch das Land ziehen konnten, brauchte es ein gut funktionierendes Netzwerk von UnterstützerInnen, FreundInnen und SympathisantInnen.
Gera hat in diesem Netzwerk seinen besonderen Platz: Dabei ist nicht nur die geografische Nähe etwa zu Jena und Zwickau interessant; mit bedeutenden Protagonisten der Kameradschaftsszene, der militanten Nazi-Vereinigung Blood & Honour und als Ballungsgebiet in der NS-Musiklandschaft konnte den ausführenden Organen des NSU von Gera aus besonders gut Vorschub, Unterstützung und Hilfe geleistet werden. Von hier aus konnten auch die Ideen, die dann in ihre mörderische Tat umgesetzt wurden, verbreitet werden.
10 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 liegt auch in Gera (noch und wieder) vieles im Dunkeln. In der Stadt, in der es für alte und neue Kameraden so gemütlich ist, ist bisher niemand ernsthaft den Spuren nachgegangen, die nicht nur sehr dicht an die mordenden Nazis führen, sondern die außerdem zum Verständnis des gesamten NSU-Komplexes beitragen können.
10 Jahre und länger konnten sich die AkteurInnen in Gera bewegen, ohne der Szene den Rücken kehren oder Stellung zu ihrer Vergangenheit beziehen zu müssen. Eine lokale journalistische Aufarbeitung hat es ebensowenig gegeben wie eine gesellschaftliche.
Um den Namen aus dem NSU-Prozess ihr Gesicht zu geben und um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Beteiligten und UnterstützerInnen des NSU mitten unter uns sind, wollen wir eine Auswahl dieser Personen vorstellen.
Damit wollen wir einen Teil zu der Reihe an Artikeln und Recherchen beitragen, die in diesem Jahr dafür gesorgt haben, dass das Thema NSU-Komplex nicht in Vergessenheit gerät.
Marcel Degner
Der Geraer Marcel Degner (*05.05. 1975) gilt als eine der wichtigsten Personen im Aufbau des Blood & Honour-Netzwerks in Deutschland.
Seit den frühen 90er Jahren bewegte sich Degner mit dem Spitznamen „Riese“ in der Naziszene. Im Jahr 1994 organisierte Degner eine Busreise von Nazi-Skinheads zur Gedenkstätte Buchenwald, unter ihnen die Mitglieder der Geraer Band Oithanasie. Auf der Hinfahrt überfielen und verletzten die Nazis einen türkischen Verkäufer an einer Raststätte, bevor sie nach ihrer Ankunft in der Gedenkstätte randalierten.
In der darauf folgenden Zeit füllte Degner seine Polizeiakte: Ermittelt wurde gegen ihn wegen Landfriedensbruchs, Beleidigung, Verwendens und Erwerbs von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Bedeutung in der Szene erlangte er auch als Organisator von Nazikonzerten in Thüringen und Sachsen.
1997 nahm Degner eine entscheidende Rolle im Zusammenschluss der deutschen Blood & Honour-Vereinigung ein: er wurde zum bundesweiten Kassenwart von Blood & Honour und Leiter der Sektion Thüringen. Die Thüringer-Blood & Honour-Sektion wurde im Wesentlichen von Gera aus koordiniert. Neben Degner waren Roberto „Matzo“ Graf, Silvio „Hotte“ Jordan, Daniel „Kurti“ Porsche und Anja Burian wichtige ProtagonistInnen. Ebenfalls in Gera wurde mit der White Youth die Jugendorganisation von Blood & Honour gegründet und unter Beteiligung von Mike Bär, Sven „Zimbo“ Zimmermann und dem NS-Musiker Jens Fröhlich geführt.
Marcel Degner organisierte am 13.11.1999 ein Blood & Honour-Konzert im thüringischen Schorba bei Jena, bei dem auch die NSU-Unterstützer Carsten Schultze und Thomas Starke anwesend waren. Degner bot bei dieser Gelegenheit Thomas Starke, dem Ex-Partner Beate Zschäpes und V-Mann für den Verfassungsschutz, mehrere tausend Euro für das untergetauchte NSU-Trio an. Starke lehnte das Angebot jedoch ab, da Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe „jobben“ würden, was de facto hieß, dass sie in dieser Zeit Banküberfälle durchführten.
Schon auf früheren Konzerten der Thüringer B&H-Sektion sammelte Degner Spendengelder für das Trio, die z.B. an André Kapke gingen. Nachdem bei den Untergetauchten in Chemnitz nichts von diesem Geld ankam, warf man Kapke vor, Geld veruntreut zu haben.
Als am 12.09.2000 durch das Bundesministerium des Innern sowohl Blood & Honour Division Deutschland als auch deren Jugendorganisation White Youth verboten wurden, stand Marcel Degner im Verbotsbescheid direkt an zweiter Stelle. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung war Degner nicht anwesend, Verwertbares fand sich nicht.
Das ist umso frappierender als die Thüringische Landeszeitung im Mai 2001 Informationen veröffentlichte, nach denen Degner als V-Person für das Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen tätig war und vor der Razzia im September 2000 vom Thüringer Verfassungsschutz vorgewarnt worden sei. Im NSU-Prozess gab der ehemalige V-Mann-Führer Degners Jürgen Zweigert an, dass der als „Quelle 2100“ unter dem Tarnnamen „Hagel“ firmierende Marcel Degner zwischen 1997 und 2000 in rund 150 wöchentlichen Treffen Informationen lieferte und dafür jeweils mit 400 bis 500 DM vergütet wurde – Gelder, die Dank besonderer Auslagen des VS, etwa für Eintrittsgelder für Konzerte oder Spendengelder, auch auf direktem Wege in den Aufbau und Erhalt der militanten Naziszene flossen oder, wie im Falle der Spendensammlungen für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, eine mordend durch das Land ziehende Terrorvereinigung finanzierten.
Abgeschaltet wurde die „zuverlässige Quelle“ Degner dann unmittelbar vor dem Verbot von Blood & Honour 2000, offiziell wegen eigenmächtigen Vorgehens gegen das B&H-Verbot, das Degner nicht mit dem Landesamt für Verfassungsschutz abgesprochen habe.
In der Tat klagte Degner, wie auch Mike Bär, privat mit eigenem Anwalt gegen das Verbot, das Gericht wies die Klage jedoch als verspätet zurück.
Vor Gericht bestritt Degner hartnäckig, als V-Mann für das TLfV tätig gewesen zu sein, und das, obwohl er eine amtliche Aussagegenehmigung der Behörde hatte. Degners Auffassung nach seien ihm die Spitzel-Vorwürfe erst durch die Presseberichte bekannt geworden, weswegen er erfolgreich die Ostthüringer Zeitung verklagte.
Dass Degner mit seiner Version, wonach er sich mit dem TLfV nie eingelassen habe, durchkam, hatte auch damit zu tun, dass alle Treffberichte des TLfV mit „Hagel“ spätestens seit 2003 verschollen waren, wie durch einen Geheimdienstmitarbeiter bemerkt wurde.
Degners frühere Kameraden witzelten noch 2016 auf facebook über sein Image. Der Account der dereinst einflussreichen Geraer Blood & Honour-Band Legion Ost, betrieben vom Sänger Daniel Stärz, kommentierte, dass man auf der Suche nach alten Eintrittskarten und anderen Erinnerungsstücken den „V mann“ fragen könne; Silvio „Hotte“ Jordan sprang ihm bei: „Hagel hat bestimmt auch noch einiges…….“
Die alte Nazi-Clique hielt den Kontakt zu Degner – dazu könnten Erklärungen beigetragen haben, wie sie etwa im Verschwörungsblog nsu-leaks verbreitet werden. Deren Erzählung zufolge wurde Degner belastet, um eine andere Quelle des Verfassungsschutzes (denkbar wären demnach etwa der Ostthüringer Nazi Thomas Gerlach oder das „Justizwunder“ Thorsten Heise) zu decken. Eine Sicht auf die Dinge, die sicher auch Degners Kameraden glaubhaft gemacht werden konnte, zumal diese in den Folgejahren nie mit ernsthaften negativen Konsequenzen konfrontiert waren.
Degner kehrte der Szene nach den V-Mann-Vorwürfen gegen ihn allerdings nicht endgültig den Rücken (auch wenn sich, seiner Aussage nach, ab 2001 einige verunsichert von ihm abwandten): 2010 tauchte seine Adresse im Hack der Nazi-Bekleidungsmarke Thor Steinar auf, dort nutze er die Mailadresse riese33@gmx.de, die er heute immer noch für die gewerbliche Kommunikation verwendet. Bis heute trägt Degner mit Vorliebe Kleidung von Thor Steinar.
Seine andauernde Verbundenheit mit Naziideologie stellt Degner auch beim Paintball-Spielen zur Schau. Seine Rückennummer auf dem Trikot des Eastside Paintball e.V. ist die 88.
Degner trainiert im Fitnessstudio Sportforum in der Reichsstraße 16 in Gera und nahm in der Vergangenheit zusammen mit anderen Mitgliedern des Studios an verschiedenen Events wie Go-Kart-Fahren oder Paintball-Spielen teil.
Dass Degner trotz seiner herausragenden Rolle für den Aufbau und die Organisation von Blood & Honour-Strukturen in Deutschland, trotz seiner Verstrickungen in den NSU-Komplex und trotz seines Rufs als Verfassunsgsschutzspitzel weiter in Gera unter seinem alten Namen lebt, spricht dafür, dass er einen „Neuanfang“ (wie etwa andere enttarnte Quellen des VS oder bekanntgewordene Nazis in anderen Städten) nicht nötig hatte und sich hier offenbar sicher und einigermaßen willkommen fühlt.
Marcel Degner ist derzeit mit einer Firma für Baudienstleistungen selbstständig. Degner wohnt aktuell in der Karl-Wetzel-Straße im Stadtteil Gera-Lusan.
Mike Bär
Mike Bär (*07.07.1972) aus Kauern bei Gera nahm neben Marcel Degner eine maßgebliche Rolle bei der Etablierung und Führung von Blood & Honour ein und war ein guter Bekannter des NSU-Kerntrios.
Bär machte seine Ausbildung zum Fliesenleger in den Neunzigerjahren in Jena und knüpfte dort zahlreiche Kontakte in die örtliche Naziszene, insbesondere zur Kameradschaft Jena. Mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe war Mike Bär eng vertraut.
Nachdem in Jena 1997 eine Reihe von Bombenattrappen als Briefe versendet wurden und eine mit TNT gefüllte Bombe ohne Zünder vor dem Jenaer Theaterhaus aufgefunden wurde, durchsuchte die Polizei am 26.01.1998 Garagenzellen in der Nähe von Böhnhardts Wohnung in seiner Anwesenheit, weil das TLfV davon ausging, dass die Bombenattrappen dort hergestellt wurden. Da in den ersten zwei der drei in Frage kommenden Garagen nichts von Bedeutung gefunden wurde, erlaubte man Böhnhardt, mit dem Auto wegzufahren. Bei der Öffnung der dritten Garage fand die Polizei neben NS-Propagandamaterial auch funktionsfähige Bomben mit 1,4 kg Sprengstoff. Außerdem tauchte dort eine Liste („Garagenliste“) auf, die die Kontaktdaten bedeutender Neonazis aus ganz Deutschland enthielt. Auf dieser Liste Böhnhardts stand auch der Geraer Kamerad Mike Bär. Im NSU-Prozess wird auf ein Foto verwiesen, das Mike Bär Arm in Arm mit Beate Zschäpe zeigt.
Mike Bär trat Mitte der Neunziger der Kameradschaft Gera um Gordon Richter und Jörg Krautheim bei und zahlte regelmäßig Mitgliedsbeiträge. Die Führungsfiguren der Kameradschaft Gera gingen zum größten Teil in den Kreisverband der NPD Gera auf und organisierten das Nazifestival Rock für Deutschland, das auch Bär regelmäßig besuchte.
Im Laufe des NSU-Prozesses wurde immer wieder betont, dass Bär neben Marcel Degner die wichtigste Personalie für Blood & Honour in Thüringen war.
Bär war nicht nur Gründungsmitglied der Thüringer Blood & Honour-Sektion, sondern hob 1997 auch deren Jugendorganisation White Youth aus der Wiege. Im Neonazi-Fanzine Der Kreuzritter berichtet ein Kamerad 1998:
„Die Idee für diese Bewegung hatte ein Kamerad aus Gera, Mike Bär […] Er sammelte einige Leute aus ganz Thüringen im Dezember 1997 zu unserem 1. Treffen und unterbreitete seine Ziele. Die lauteten: Junge Leute zu organisieren und sie an die ,älteren‘ Kameraden zu binden. Fähige zu unterstützen und Spinner auszusortieren.“ (1)
Nach dem Verbot von Blood & Honour im Jahr 2000 war Mike Bär die zweite Person neben Marcel Degner, die eigenständig gegen das Verbot klagte.
2004 war Bär einer der Helfer bei einem von André Kapke organisierten Konzert in Wichmar.
Seit 2004 betreibt Mike Bär die Firma Bauservice Bär (BSB), die bis heute mit mehreren Mitarbeitern besteht. Anfang 2021 war der BSB beispielsweise mit dem Ausbau eines Restaurants in der Fußgängerzone in der Geraer Schlossstraße am Kultur- und Kongresszentrum beauftragt.
Mike Bär wohnt in der Ernst-Busse-Straße in Kauern.
Jens Fröhlich
Jens Fröhlich (*08.04.1978), der auch unter seinem Pseudonym „Asemit“ bekannt ist, ist ein bundesweit vernetzter Musiker und Geschäftsmann im Genre des National Socialist Black Metal (NSBM).
Fröhlich wuchs in Gera auf und begann mit Raub, Diebstahl und Sachbeschädigung früh eine kleinkriminelle Karriere im Geraer Naziumfeld. Seine Strafakte wuchs seit Mitte der Neunziger kontinuierlich an und verzeichnet Landfriedensbruch, Diebstahl, besonders schweren Diebstahl, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Fahrerflucht, Bedrohung, Verleumdung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung,
1996 gründete Fröhlich mit Marcel Niebuhr, David Nonn und Robert Wunderlich die Nazi-Oi!-Band Oigenik. Als man sich musikalisch zum Pagan-Metal umorientierte, wechselte man den Namen zu Eugenik. Ihr erstes Konzert spielten sie 1997 im Treffpunkt des Thüringer Heimatschutzes in Heilsberg. Nach der Gründung der Blood & Honour-Jugendorganisation White Youth in Gera durch Mike Bär, wurde Jens Fröhlich zu einem ihrer führenden Aktivisten. Auch die anderen Mitglieder der Band Eugenik gaben an, Mitglieder bei White Youth zu sein. Bis zum Ende der Neunziger erspielte sich Fröhlich mit Eugenik überregionale Bekanntheit. Bei einer Razzia des Proberaums 1998 fanden die Behörden eine Sammlung von Nazidevotionalien und Liedtexten, die zu einem §86a-Verfahren führten. Die vor allem als Liveband agierende Gruppe spielte mehrmals auf dem Geraer Festival Rock für Deutschland, gab Konzerte aber auch über die Landesgrenzen hinaus, beispielsweise 2008 in Wimmis in der Schweiz zusammen mit der Szenekultband Kraftschlag. 2009 traten Eugenik beim Wahlkampfauftakt der sächsischen NPD in Rothenburg auf.
Zur 1998 um den Geraer NSBM-Musiker Denis Schoner formierten Band Totenburg kam Fröhlich 2004 als Sänger hinzu. Die Band spielte gemeinsam das Album Pestpogrom ein, dessen Cover eine mittelalterliche Judenverbrennung zeigt. Im gleichen Jahr folgten Konzerte sogar in Griechenland und Belgien.
2020 erschien Jenseits des Grabes, das jüngste Album der Band.
Nach dem Verbot von Blood & Honour und der White Youth beteiligte Fröhlich sich an der Fortführung der Bewegung aus dem Untergrund heraus. Zum in Thüringen produzierten Blood & Honour-Sampler Trotz Verbot nicht tot steuerten Fröhlichs Bands Eugenik und Totenburg jeweils Lieder bei. 2003 fanden deshalb unter Leitung des Thüringer Landeskriminalamts Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts auf Fortführung von Blood & Honour-Strukturen unter anderem bei Fröhlich und Schoner statt.
Fröhlich und Totenburg-Bandkollege Schoner zählen zu den bundesweit umtriebigsten Personen in der NSBM-Szene. Neben ihren Musikprojekten verlegen und vertreiben beide vor allem NS-Black-Metal. Fröhlich betreibt das Label Ewiges Eis Records und den Methorn Versand, Schoner ist Inhaber des Labels Hammerbund.
Im Zusammenhang der Ermittlungen zum NSU geriet Fröhlich ins Visier der Polizei nachdem NSU-Freund und -Helfer André Eminger festgenommen wurde. Auf Emingers Mobiltelefon war die Nummer Fröhlichs gespeichert. Fröhlich gab bei einer Vernehmung an, regelmäßigen Kontakt zu Eminger gepflegt zu haben; Eminger kam öfter nach Gera, um Bestellungen von Fröhlich abzuholen. In der Zwickauer Wohnung des NSU-Kerntrios wurde außerdem ein gefälschter Reisepass auf den Namen „Michael Fröhlich“ gefunden. Die ermittelnden Beamten spekulierten, dass für den Pass entweder der Zwickauer Neonazi Eric Fröhlich oder Jens Fröhlich aus Gera eine Legende geliefert haben könnten.
Fröhlich ist Mitglied des rechten Motorradclubs Stahlpakt MC (Rang Sergeant at arms), die nach André Emingers Verhaftung eine Solidaritätswebsite aufsetzten und für Spenden warben.
Fröhlich ist in die elterliche Firma KARE Immobilien in Gera involviert, die mittlerweile über seinen Bruder Janos Fröhlich läuft. Janos ist ebenfalls Musiker im NSBM-Genre bei der weitaus unbekannteren Band Isolfur. Jens Fröhlich ist bei KARE als Hausmeister angestellt, tritt allerdings auch als Hausverwalter auf, wie etwa im Zuge der Berichterstattung zu Hochwassergeschädigten im ZDF Morgenmagazin zu sehen war.
Fröhlich wohnt in der Dr.-Friedrich-Wolf-Straße im Geraer Zentrum.
Silvio Jordan
Silvio „Hotte“ Jordan (*07.11.1977) stieß Mitte der Neunzigerjahre zur rechten Skinheadszene in Gera. Er fuhr sehr rege durch das ganze Bundesgebiet zu Rechtsrockkonzerten und fiel dabei regelmäßig mit verbotenen Nazi-Symboliken oder durch die Beteiligung an Ausschreitungen auf. Schon 1995 war er an einem Angriff auf das damalige linke Projekt in der Hohen Straße in Gera beteiligt. 1996 wurde er in Bayern mit einer Triskele auf der Kleidung festgestellt, einer dreizackigen Abwandlung des Hakenkreuzes, die ein Jahr darauf als Symbol in den Schriftzug von Blood & Honour Deutschland integriert wurde. 1997 beteiligte sich Jordan an Krawallen im thüringischen Tautenhain und in Triptis, 1998 wurde er nach der Auflösung eines Konzertes in Brandenburg polizeilich aufgenommen.
Nach der Gründung von Blood & Honour Deutschland im Jahr 1997 wurde Jordan unter Marcel Degner der stellvertretende Führer der thüringischen Sektion. In dieser Funktion war er auch an bundesweiten Treffen des militanten Netzwerks beteiligt. Bei einem dieser Treffen 1998 kam er unter anderem mit dem gesamten UnterstützerInnenkreis des untergetauchten späteren NSU-Kerntrios von Blood & Honour Sachsen zusammen: Antje Probst, Jörg Winter, Andreas Graupner, Jan Werner und Thomas Starke. Jordans Thüringer Sektion sammelte außerdem mit Konzerten Spendengelder für die Untergetauchten. Diese Gelder waren laut Aussagen des Brandenburger V-Mann Carsten Szczepanski explizit für die Beschaffung von Waffen bestimmt.
Jordan blieb auch nach dem Blood & Honour-Verbot 2000 aktiver Neonazi in Gera. Die frühere Kameradschaft Gera und die Blood & Honour-Aktivisten sammelten sich mit der Zeit in der Geraer NPD und im Organisationskreis des ab Mitte der 2000er stetig anwachsenden Rechtsrockfestivals Rock für Deutschland. Jordan gehörte zu den Helfern des jährlichen Events und beteiligte sich u.a. am Aufbau. Noch 2013 war Jordan mit seinem früheren Blood & Honour-Kameraden Roberto Graf einer der Organisatoren des Festivals, das seit 2012 vor dem Geraer Hauptbahnhof stattfand.
2014 kandidierte Jordan auf Listenplatz 7 für die NPD zur Geraer Stadtratswahl. Er beteiligte sich in all den Jahren, bis mindestens 2018, an NPD-Aufmärschen in Gera, am Nazi-Gedenken zum Volkstrauertag und bringt zu Kneipenabenden in Totos Treff in Gera oder zu Grillabenden immer wieder auch die alten Blood & Honour-Kader zusammen. Hierzu brachte André Groth aus Apolda, der Ender der Neunziger bereits zur Thüringer Sektion zählte und auch nach dem Verbot die Organisation weiter unterstützte, 2016 den Apoldaer Rechtsrock-Händler Fabian Kellermann und den heutigen Unterstützer des verbotenen Blood & Honour-Netzwerks, Robert Hoyer, mit zu einem Treffen mit Silvio Jordan und weiteren älteren Kadern aus Gera.
Jordan arbeitete vor einigen Jahren noch als selbstständiger Schrottsammler in Gera. Jordan wohnt in der Eiselstraße in Gera-Debschwitz.
Roberto Graf
Der am 20.11.1970 in Saalfeld geborene Roberto „Matzo“ Graf war schon um die Wendezeit als Neonazi-Skinhead in Gera aktiv. Aufgrund zahlreicher Straftaten, darunter Diebstähle, Sachbeschädigungen, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Landfriedensbruch musste er 1992 eine Haftstrafe antreten. Während dieser Zeit setzten ihn seine Geraer Kameraden auf eine Gefangenenliste „weißer Kriegsgefangener“ („White Prisoners of War“), die von der selbsterklärten US-amerikanischen Nachfolgeorganisation der NSDAP, der „NSDAP/AO“, in deren Zeitschrift The New Order veröffentlicht wurde. Auf dieser Liste stand zur gleichen Zeit auch der niedersächsische FAP-Funktionär Thorsten Heise, der wie Graf später Kader des militanten Blood & Honour-Netzwerks wurde.
Als sich nach Grafs Haftentlassung die Kameradschaft Gera organisierte, zählte er zu den Mitgliedern der ersten Stunde und zahlte regelmäßige Mitgliedsbeiträge. Die Liste über Beitragszahler wurde von Graf selbst verwaltet. 1997 kam Graf erneut in Haft, als er einen Neonazi-Kameraden im Krankenhaus in Bayern besuchte und bei einer Personenkontrolle festgestellt wurde, dass er per Haftbefehl aus Hessen gesucht wurde. Gegen Graf waren u.a. neue Verfahren wegen Betrugs, Erschleichens von Leistungen und Volksverhetzung hinzugekommen. Um die Jahrtausendwende zählte Graf dann ebenfalls zur thüringischen Blood & Honour-Sektion um den Sektionsleiter Marcel Degner aus Gera.
2003 eröffnete Roberto Graf in der Leipziger Straße den Neonaziladen Inside, der sich jedoch nur kurze Zeit hielt, nachdem Antifaschist*innen u.a. mit einer Kampagne und mehrfachem Glasbruch das Geschäft gestört hatten.
Graf beteiligte sich ununterbrochen an den Aktivitäten der Geraer Naziszene: Er unterstützte jahrelang die Organisation des Rock für Deutschland, nahm an unzähligen NPD-Veranstaltungen teil und besuchte regelmäßig die revisionistischen Gedenkveranstaltungen zum Volkstrauertag.
Zur Stadtratswahl 2014 kandidierte Graf in Gera für die NPD. 2017 fuhr er mit seinen alten Blood & Honour-Kameraden, darunter Silvio Jordan und Raik Schumann von Legion Ost, zum Rock gegen Überfremdung in Themar.
Roberto Graf ist gelernter Maurer, arbeitete aber über die Jahre in verschiedensten Jobs. Er war u.a. beim Sicherheitsdienst von Großveranstaltungen eingesetzt.
Graf wohnte zuletzt in der Calvinstraße im Geraer Ostviertel.
Von der Kameradschaft Gera und B&H zum Rock für Deutschland
Die Kameradschaft Gera, die im Thüringer Heimatschutz organisiert war, und die von Gera aus koordinierte Thüringer Blood & Honour-Sektion waren der Brutkasten, aus dem der NSU mitsamt seinem UnterstützerInnen-Netz gediehen ist. Auch wenn nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 das Thema „Naziterror“ für viele schnell wieder erledigt schien, hatte man in Gera beste Voraussetzungen, an die Traditionen anzuknüpfen. Durch die Erfahrungen, die man bei Blood & Honour im Organisieren von Konzerten und Großveranstaltungen gesammelt hatte, konnte man ein Festival wie das Rock für Deutschland erfolgreich etablieren und vergrößern. Die Geraer NPD, in der die meisten B&H– und Kameradschaftskader aufgingen, ging dabei geschickt eine Verbindung mit den gut vernetzten NS-Musikstrukturen aus Gera ein. 2012, nur ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios bekannten sich die OrganisatorInnen des RfD im Sommer 2012 durch das an der Bühne angebrachte alte Banner zum Thüringer Heimatschutz – in dem Wissen, dass dieser Kameradschaftsverband mit zahlreichen Geraer Akteuren dem NSU-Terror als ideologischer und finanzieller Nährboden diente.
Die NPD und das Rock für Deutschland mögen, so scheint es zumindest momentan, Geschichte sein. Die Strukturen dahinter existieren weiter; die alten Kameraden geben derweil ihr Wissen, ihre Kontakte und ihre Ressourcen an die jüngeren weiter.
Das Thema NSU lässt sich nicht ad acta legen, die Beteiligten sind weiter unter uns.
Mit Unterstützung des Rechercheportals Jena-SHK.
(1) Der Kreuzritter, Nr. 2, 1998. S. 6. Zitiert nach: Martin Langebach/Jan Raabe: RechtsRock made in Thüringen. Erfurt 2013.
Am 30.04. und am 21.05.2021 fanden in Gera unangemeldete spätabendliche Demonstationen gegen die Coronamaßnahmen statt. Mit Fackeln, Pyrotechnik und Maskierungen zogen mehrere Dutzend Menschen durch Geras Innenstadt. In der Beschreibung zu einem youtube-Video des düsteren Spektakels auf dem Kanal der Patrioten Ostthüringen kann man lesen, dass am inszenierten Fackelmarsch vor allem „Gewerbetreibende aus Gera“ teilgenommen hätten. Was klingt, als seien diese Proteste harmlose Spaziergänge pandemiegebeutelter Unternehmer*innen, sind in Wirklichkeit von Rechtsradikalen orchestrierte und von Neonazis besuchte Veranstaltungen. Wenn in Gera von „miteinander“ gesprochen wird, heißt das vor allem: zusammen mit Rechten.
In der Stadt nimmt man derweil davon gewohnheitsmäßig keine Notiz. Im folgenden Artikel wollen wir deshalb einige der Teilnehmenden vorstellen.
Schmidt beklagte 2020, wie im Tagesspiegel zu lesen war, dass er zu spüren bekommen habe, wie es sei, „mit der Nazikeule erschlagen zu werden“. Diesen Schlägen scheint er allerdings eher kunstvoll ausgewichen zu sein, denn er zeigt sich heute lebhafter denn je – offen und hemmungslos mit einschlägigen Neonazis an seiner Seite.
Peter Schmidts freundschaftliche und strategische Kontakte in die extrem rechte Szene sind zahlreich und haben sich bei der Mobilisierung zu den Corona-Protesten bewährt. Wo er diese Proteste nicht selbst organisiert oder angemeldet hat, wurden sie von ihm stets enthusiastisch besucht und gelobt; so auch die jüngsten Versammlungen, die er auf seiner Facebook-Seite verlinkt:
Die mittlerweile fast durchgängig als „Spaziergänge“ getarnten unangemeldeten Protestzusammenkünfte genießen weitgehende Narrenfreiheit, wie sich auch an den beiden nächtlichen Aktionen beobachten ließ: Mit illegaler Pyrotechnik, Kameradrohnen, Guy-Fawkes-Masken und Fackeln ausgerüstet konnten die Demonstrationen beinahe eine halbe Stunde von Ordnungskräften unbehelligt durch die Geraer Innenstadt ziehen und zum Abschluss sogar Feuerwerk von öffentlichen Gebäuden zünden.
Die Aktionen am 30.04. und 21.05. hatten einen Flashmob im fränkischen Aschaffenburg am 14.04.2021 zum Vorbild. Sequenzen aus dem offensichtlich professionell inszenierten und produzierten Videomaterial aus Aschaffenburg wurden dann auch mit der Geraer Aktion am 30.04. für ein Video gegengeschnitten.
Wie sich vor allem beim Video des zweiten Geraer Fackelmarschs am 21.05. zeigt, wurde auch hier Wert auf eine ähnliche Bildsprache und exakte Choreografie gelegt. Immer wieder sieht man Menschen dem Demozug vorauseilen, um etwa an bestimmten, dem Kameramann bereits bekannten Punkten Böller zu entzünden.
Im Unterschied zur Situation in Gera ist man in Aschaffenburg allerdings über diese Protest-Aktionen empört gewesen; der Oberbürgermeister Aschaffenburgs meldete sich zu Wort und verurteilte die Aufzüge mit ihrer faschistoiden Ästhetik.
Wirft man einen Blick auf einen Bruchteil der beteiligten Personen dieser Fackelmärsche in Gera, sollte klar werden, wie paradox es ist, mit erklärten Demokratie- und MenschenfeindInnen für Souveränität und Miteinander auf die Straße zu gehen. Stattdessen sind die skandierten Slogans nicht mehr als Feigenblätter für eine Mischung aus grenzenloser Ich-Bezogenheit, Nörgelei, aggressivem Aufstacheln und dem Platzieren rechter Diskursdeutungen.
Beatrice Fischer
Beatrice Fischer ist aktuell eine der bundesweit umtriebigsten NaziaktivistInnen im Raum Thüringen – Sachsen – Sachsen-Anhalt. Neben ihren regelmäßigen Besuchen von Neonazi-Musikfestivals (Rock für Deutschland in Gera, Rock gegen Überfremdung in Themar und Apolda), reiste Fischer 2018 und 2019 u.a. mit dem Ronneburger Reichsbürger Christian Bärthel nach Bielefeld zu Solidaritätskundgebungen für die mehrfach verurteilte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck.
Im Zentrum ihrer politischen Aktivitäten steht eindeutig Gera: Bereits 2010 nahm sie am von der Geraer NPD veranstalteten Gedenken zum Volkstrauertag teil, das sie auch in den Folgejahren mehrfach besuchte.
Die Corona-Proteste in Gera begleitete sie von der ersten Stunde an. 2020 führte sie ihr Weg mitunter wöchentlich auf den Geraer Marktplatz zu den sogenannten Spaziergängen, die sich nicht nur über geltende Hygienemaßnahmen hinwegsetzten, sondern auch ein Tummelplatz extrem Rechter und Verschwörungsgläubiger waren bzw. sind.
Politisch ist Beatrice Fischer für alles zu begeistern, was möglichst viele Nazis versammelt: 2011 demonstrierte sie mit der Geraer NPD, 2017 und 2019 lief sie in Gera und Plauen in den Reihen der Partei III. Weg, 2020 reiste sie mit der Thüringer AfD zur Demo nach Altenburg und beklatschte die antisemitischen Ausführungen Frank Haußners bei AfD-Protesten in Gera.
Marek Hallop
Hallop, der sich selbst als Reichsbürger identifiziert, versuchte 2020 an den Erfolg der Mobilisierung Peter Schmidts anzuknüpfen und trat als Anmelder von Corona-Protesten in Erscheinung. Von seinen Aufgaben als Versammlungsleiter sichtlich überfordert, musste Hallop die Demo am 16.05.2020 wegen der offenkundigen Unmöglichkeit, die Auflagen durch die Teilnehmenden umsetzen zu lassen, nach kurzer Zeit bereits wieder als aufgelöst erklären. Sehr deutlich wurde in der Folgezeit, dass die Massenmobilisierung nicht wegen der politischen Positionierung Hallops, sondern allein wegen dessen organisatorischen Ungeschicks eingebüßt hatte.
Marek Hallop, der weiter an den meist unangemeldeten Demonstrationen teilnahm, beteiligte sich bereits 2012 an einem Neonazi-Trauermarsch der NPD in Gera und an mehreren Thügida-Aufmärschen zwischen 2015 und 2018.
Michael Hesse
Michael Hesses politische Sozialisation fällt in die frühen 2000er Jahre, wo er mit der Kameradschaft Gera und unter anderem zusammen mit den Wagner-Brüdern seine ersten Demonstrationserfahrungen innerhalb und außerhalb Geras sammelte. Stefan Wagner wurde 2000 wegen einer gewalttätigen Jagd auf zwei Migranten in Gera verurteilt; seine beiden Brüder Denny und Andreas spielen heute in der Geraer Rechtsrockband Exzessiv. Die Kameradschaft Gera gehörte zur Dachorganisation Thüringer Heimatschutz (THS), dem eine zentrale Rolle bei der Formierung des NSU zukam.
Seit 20 Jahren ist Michael Hesse quasi ununterbrochen auf rechten Demos unterwegs, die meisten davon hält er fotodokumentarisch fest, einige Videos von Veranstaltungen stellt er auf seinen youtube-Account, den er unter dem Namen rebell betreibt.
Hesse gehörte zu den regelmäßigen Besuchern des Nazimusikfestivals Rock für Deutschland in Gera; 2017 besuchte er gemeinsam mit seiner Partnerin Beatrice Koschmieder und Beatrice Fischer das vom Hildburghausener Neonazi Tommy Frenck organisierte Rock gegen Überfremdung in Themar.
Mit Beginn der Corona-Pandemie nahm auch Hesses Demotourismus wieder zu; regelmäßig kündigte er auf seiner Facebook-Seite an, aus Protest gegen die Coronaregelungen spazieren zu gehen und rief zu Autokorsos auf, an denen er teilnahm. Bei diesen Gelegenheiten konnte er sich mit Gleichgesinnten auch über die altbekannte Neonazi-Filterblase hinaus vernetzen.
Zusammen mit Peter Schmidt reiste Hesse beispielsweise am 31.05.2021 ins sächsische Zwönitz, wo sich hunderte Menschen zu einem Stadtfest versammelten, um ein vorzeitiges Ende der Pandemie zu feiern.
Christian Klar
Christian Klar, ein seit den 90er Jahren aktiver Neonazi, ist insbesondere im Zuge der extrem rechten Thügida-Demonstrationen seit 2015 wieder verstärkt präsent geworden.
Am 20.04.2016, dem symbolisch nicht zufällig gewählten Datum des Adolf-Hitler-Geburtstags, reiste Klar mit einigen anderen Geraer Nazis zur Thügida-Demonstration, die der Greizer Neonazi David Köckert angemeldet hatte. Klar trug bei dieser Gelegenheit ein T-Shirt mit dem Zahlencode 88 (‘Heil Hitler’) und unterstrich damit persönlich und nachdrücklich noch einmal die bewusste Wahl des Demo-Datums.
Zusammen mit dem militanten und gewalttätigen Nazi Sebastian Dahl und dem Pößnecker Nazi Norman Strupp solidarisierte sich Christian Klar 2018 in Bielefeld mit der notorischen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. Sebastian Dahl war wegen versuchten Mordes bereits fünf Jahre in Haft und zählt zu den Mitgliedern der Neonazibruderschaft Turonen/Garde 20, die für den brutalen Überfall auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt 2014 verantwortlich sind.
Am 01.05.2019 demonstrierte Klar gemeinsam mit der NPD und ihrer Nachwuchsorganisation JN in Dresden. 2020 nahm er, ebenfalls in der sächsischen Landeshauptstadt, an einem der größten Naziaufmärsche Deutschlands, dem geschichtsrevisionistischen Trauermarsch teil.
Wie sehr viele Neonazis fühlt auch Christian Klar sich zuletzt in den Reihen der AfD wohl und besuchte mehrere ihrer Demonstrationen. Freundschaftlich verbunden ist er wiederum mit dem unentwegt seine „Mitte“ betonenden Peter Schmidt, mit dem Klar gemeinsame Ausflüge unternimmt und bei Grillabenden beisammen ist.
Beatrice Koschmieder
Beatrice Koschmieder arbeitet – wie ihre Schwester Ivonne, die sich ebenfalls in der rechten Szene bewegt – als Tätowiererin. Unter dem Namen Bea’s Tattoo Art tätowiert sie im Tattoostudio Königsklasse der Geraer Naziszenegröße Enrico Kopp in der Laasener Straße 24. Koschmieder bewegt sich seit über 10 Jahren in Geraer Nazistrukturen. 2010 besuchte sie den vom Vorsitzenden des Geraer NPD-Kreisverbands, Gordon Richter, angemeldeten Volkstrauertag.
Wie bereits 2013 und 2014 besuchte Koschmieder auch die Wiederauflage des Nazi-Musikfestivals Rock für Deutschland 2017 in Gera. Das RfD wurde von der Thüringer NPD in Zusammenarbeit mit europaweit vernetzten Nazimusikstrukturen, lokalen Kameradschaften und extrem rechten UnternehmerInnen organisiert.
Zwischen 2015 und 2018 nahm sie neben den rassistischen Thügida-Aufmärschen in Gera an einer Vielzahl rechter Veranstaltungen teil: Am 1. Mai 2017 marschierte sie an der Seite von Beatrice Fischer und ihrem Partner Michael Hesse bei der Demo der neonazistischen Partei III. Weg in Gera, am 15.07.2017 besuchte sie das von militanten und kriminellen Nazistrukturen organisierte Rock gegen Überfremdung in Themar, am 31.10.2018 reiste sie zum Tag der Nation zur Demo nach Berlin.
2020 konnte Koschmieder dann endlich an ihren Demo-Tourismus anknüpfen und war bei den meisten der Corona-Proteste mit von der Partie.
Felix Staps
Felix Staps zählte zu den AktuerInnen der Fußballfangruppierung Wismut Ultras Gera 99, die trotz des Versuchs, sich offiziell nach rechts abzugrenzen, im Kern aus Nazis, zumindest aber rechtsoffenen Jugendlichen bestand. Staps war in den vergangenen Jahren immer wieder in kriminelle Machenschaften verwickelt, die auch zu Inhaftierungen führten.
2016 war Felix Staps am Naziüberfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz beteiligt; die Verhandlung gegen ihn im Leipziger Verfahren steht auch im Juni 2021 immer noch aus.
Bereits 2015 besuchte er eine der von Nazis organisierte Thügida-Demonstration gemeinsam mit dem ebenfalls am Überfall in Leipzig beteiligten Geraer Michael Neuhaus.
Nur drei Monate nach der volksgemeinschaftlichen Zerstörungsorgie in Leipzig folgte Staps gemeinsam mit anderen Wismut-Ultras (Oliver Hoffmann und Tobias Derday) dem Aufruf von David Köckert, am Hitler-Geburtstag 2016 eine Nazidemonstration in Jena zu begehen. Mit militantem und aggressivem Auftreten standen sie der deutlichen Ablehnung der Jenaer Gegendemonstrant*innen entgegen.
2018 beteiligte Staps sich im Kreise von anderen Neonazis an der letzten großen Thügida-Demonstration in Gera, die von Carry Fischer und David Köckert angemeldet wurde.
2021 musste Felix Staps sich vor Gericht verantworten, weil ihm vorgeworfen wurde, gemeinschaftlich mit dem Wünschendorfer René Wolfram einen PKW in Brand gesetzt zu haben. Auftraggeber soll der Greizer David Köckert gewesen sein, der nach Zeug*innenaussagen mehrfach Geld für Sachbeschädigungen oder Körperverletzungen auslobte. Staps, Köckert und dessen politischer Ziehsohn Wolfram mussten aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden.
Andreas Thomä
Andreas Thomä aus Gera organisierte in der Vergangenheit mehrfach Autokorsos aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Die Protestform Autokorso hatte einigen Zulauf verbuchen können, vielleicht auch, weil sich hier die historisch oft unter Beweis gestellte deutsche Effizienz mit Bequemlichkeit vereinigen konnte.
Thomä gab gegenüber der Ostthüringer Zeitung an, „dass er politisch nicht organisiert sei“ und log damit seine maßgebliche Beteiligung bei der Organisation Patrioten Ostthüringen unter den Tisch. Über die extrem rechte Gruppe und ihre Scharnierfunktion für verschiedene rechte Gruppierungen berichtete bereits das Rechercheportal Jena-SHK. Die Patrioten Ostthüringen, die sich selbst aus ReichsbürgerInnen, HolocaustleugnerInnen, AfDlerInnen und anderen extrem Rechten zusammensetzen, pflegen Verbindungen zu Identitärer Bewegung und der völkischen Artgemeinschaft.
Thomä, der für die Patrioten Ostthüringen als Kameramann fungiert, filmte auch die nächtlichen Corona-Fackelmärsche in der Geraer Innenstadt und stellte sie auf dem youtube-Kanal der Patrioten Ostthüringen ein. Zu diesem Zwecke wurde sogar eine Drohne eingesetzt, die eindrucksvolle Kameraflüge erzeugen sollte. Thomä versuchte offensichtlich, eine ähnlich professionelle Ästhetik wie bei den Protestvideos aus Aschaffenburg zu inszenieren; allerdings kommen seine Film- und Bearbeitungsbemühungen über ein laienhaftes Engagement kaum hinaus.
Eike Voigtsberger
Der Frauenarzt Dr. Eike Voigtsberger sitzt für die AfD im Geraer Stadtrat. Wie wir im vergangenen Jahr berichteten, war Voigtsberger in der Vergangenheit reger Besucher verschiedener Nazidemos im ganzen Bundesgebiet. Ob 2018 bei Thügida, 2019 auf der Demo der Identitären Bewegung in Halle oder 2020 auf dem extrem rechten Trauermarsch in Dresden – Eike Voigtsberger mischte sich munter unter die übrigen Nazis.
Am Volkstrauertag 2020 nahm er mit anderen AfD-Parteikameraden an einer Veranstaltung des Ronneburger Neonazis, Holocaustleugners und Reichsbürgers Christian Bärthel teil. Bärthel hielt eine Rede, die von antisemitischen Codes überladen und dezidiert geschichtsrevisionistisch war.
Voigtsberger trug, um seine Identifikation mit dem politischen Profil der Veranstaltung zu untermauern, an diesem Tag eine Gesichtsmaske in den Farben der Flagge des Deutschen Reichs (schwarz-weiß-rot).
Voigtsberger nahm an etlichen Protesten gegen die Corona-Maßnahmen teil, die immer auch eine Ablehnung an einer Covid-Impfung forderten. Ohne Rücksicht auf geltende Abstands- oder Maskenregeln brachte Voigtsberger (wie auch alle anderen Teilnehmenden) andere wissentlich in Gefahr. Selbst ist er als Risikopatient allerdings bereits geimpft.
Fazit
Es ist typisch für Gera, dass eine derartige Verschränkung von extremer Rechter und einer behaupteten gesellschaftlichen „Mitte“ weder als skandalös noch als in irgendeiner Art problematisch wahrgenommen und thematisiert wird. Stattdessen genießen Unternehmer*innen wie Peter Schmidt trotz ihrer offenkundigen Distanzlosigkeit zu Neonazis und freundschaftlicher Verbindungen ins extrem rechte Milieu dank ihrer lokalen Vernetzung Achtung und Respekt.
Wie auch andernorts hat sich in Gera gezeigt, dass die Corona-Proteste für extrem rechte Strukturen ein gefundener Vorwand sind, um sich die Dynamik einer Bewegung aufrechtzuerhalten und durch die Vereinnahmung der Maßnahmenkritik über den Mangel an eigenen mobilisierungsfähigen Themen oder Lösungsansätzen hinwegzutäuschen.
Auch wenn derzeit noch schwer abzuschätzen ist, wie auf die Zurücknahme der Einschränkungen reagiert wird – die Netzwerke sind etabliert und Beziehungen geknüpft worden. Selbst wenn mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ein Thema mit Mobilisierungspotenzial wegfallen wird, werden die Beziehungen und Strukturen, die sich im Rahmen der Coronaproteste verfestigt haben, reaktiviert werden.
Bei der Landtagswahl 2019 konnte die AfD in Thüringen 23,4 % der Stimmen auf sich vereinen. In der Wahl zum Geraer Stadtrat kam die Partei sogar auf 28,8 % und belegt damit mit 12 Personen die meisten Sitze im Stadtrat. Die Partei, die sich in Gera eines so hohen Zuspruchs erfreut, versucht den Eindruck von Bürgerlichkeit und Integrität zu erwecken.
Bereits in der Person des Geraer Bundestagsabgeordneten und Stadtratsmitglieds Stephan Brandner trägt die Geraer AfD ihr Bekenntnis zum völkisch-nationalistischen Höcke-Kurs des Landesverbandes. Doch auch darüber hinaus stellt sie den verlängerten Arm der Neonazis auf der Straße in die Parlamente hinein dar.
Wie die folgende Recherche zeigt, besteht die AfD in Gera im Kern aus Personen, die sich einerseits selbst seit Jahren in rechtsextremen Kreisen bewegen und sich andererseits bewusst mit Holocaustleugner*innen, Kameradschaftern und militanten und organisierten Neonazis umgeben. Der Erfolg der AfD ist das Ergebnis rechter Kontinuitäten in Gera.
Reinhard Etzrodt – ein Suchender unter Neonazis
Nach der überregional aufsehenerregenden Wahl des AfD-Manns Reinhard Etzrodt zum Geraer Stadtratsvorsitzenden wurde öffentlich, dass Etzrodt mit seiner Frau Bettina (ebenfalls AfD-Stadträtin in Gera) und seinem Sohn Martin Etzrodt (für die AfD im Kreistag des Saale-Holzland-Kreises) bereits 2015 auf einer von Neonazis organisierten und besuchten Thügida-Demo mitgelaufen ist.
In der Ostthüringer Zeitung (OTZ) erklärte Etzrodt daraufhin, „ein Suchender“ gewesen zu sein, als er auf der Thügida-Demo HolocaustleugnerInnen, AntisemitInnen und anderen kriminellen Nazis hinterhergelaufen ist. 2016 sei er dann eigenen Angaben zufolge in die AfD eingetreten. Daraus lässt sich unschwer schließen: Wer bei militanten Nazis sucht, findet – die AfD.
In der Zeit und der OTZ unterstrich Etzrodt zudem seine Loyalität zum rechtsextremen Höcke-Flügel der Partei. Wenn Etzrodt Glauben machen will, er habe erst 2015 „mit der Migrationspolitik der Bundesrepublik“ sein politisches Profil gefunden, versucht er zu täuschen. In der taz war bereits davon zu lesen, dass Bettina Etzrodt vor ihrer Zeit in der Geraer AfD in der Deutschen Sozialen Union (DSU) politisch engagiert war. Reinhard Etzrodt selbst stand schon Anfang der 1990er Jahre für die rechtspopulistische DSU auf der Wahlliste zum Geraer Stadtrat, beispielsweise 1994 auf Listenplatz 19.
Dass er die Nazidemo des Thügida-Bündnisses unwissenderweise aufgesucht hat, ist an anderer Stelle bereits als wenig glaubhaft analysiert worden. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Familienausflug der Etzrodts zu Thügida aufgrund weltanschaulicher Schnittmengen unternommen wurde. Die Etzrodts waren nicht die einzigen ihrer Partei, die offenkundige Naziveranstaltungen wie Thügida-Demos besuchten.
Eike Voigtsberger – bundesweit unterwegs auf Nazidemos
Der Frauenarzt Dr. Eike Voigtsberger hat ebenfalls an einer Demo von Thügida teilgenommen, auch er schien dort allerdings politisch kein „Suchender“ mehr gewesen zu sein; die Demo fand im September 2018 statt, als Voigtsberger bereits zum AfD-Stadtverband gehörte. Angemeldet war diese Demo von der Geraerin Carry Fischer und dem kriminellen Greizer Neonazi und Ex-NPD-Stadtrat David Köckert. Die mehreren hundert Teilnehmenden waren das Who‘s who der Geraer und mitteldeutschen Naziszene. Beteiligt waren Anhänger der neonationalsozialistischen Partei Der III. Weg, NPD-Kader, rechtsextreme Fußballhooligans und Personen, die dem Umfeld des NSBM (National Socialist Black Metal) in Ostthüringen zugerechnet werden.
Zu einer Demonstration der Identitären Bewegung in Halle an der Saale, die unter Beteiligung der neonazistischen Brigade Halle, der Aryans und Bärgida stattfand, reiste Voigtsberger mit einigen Geraer Kameraden an.
Neben dem Shootingstar der Identitären, Martin Sellner, war auch der Hallenser Verschwörungsideologe und Antisemit Sven Liebich in der Menge und zog mit einem besonders geschmacklosen Beitrag die Aufmerksamkeit auf sich. Liebich trug ein Plakat mit der menschenverachtenden und NS-relativierenden Aufschrift „Merkel – länger an der Macht als Hitler. …und kein Stauffenberg in Sicht“. Der unverhohlenen Drohung, dass Merkels „Stauffenberg“ möglicherweise doch nicht weit ist, verlieh Liebich mit einer aufgesetzten Augenbinde Ausdruck. Ohne Neonaziberührungsängste gleich hinter ihm stand der Geraer Stadtrat Eike Voigtsberger mit seinen Parteifreunden.
Sein Amt als Stadtrat seit 2019 war Voigtsberger ganz offensichtlich kein Hindernis, auch weiterhin an Neonaziaufmärschen teilzunehmen: Im Februar 2020 lief Voigtsberger zusammen mit aus dem ganzen Bundesgebiet und überall aus Europa angereisten Rechtsextremen bei einer der größten Nazidemonstrationen Deutschlands in Dresden. Nur wenige Schritte vor ihm lief der gewalttätige Eisenacher Neonazi Kevin Noeske aus der Struktur des Nationalen Aufbau Eisenach.
Eike Voigtsberger und seine Kameraden haben sich bei diesen Aufmärschen von klar erkennbaren und gewalttätigen Nazis offensichtlich nicht fehl am Platz gefühlt.
Unter diesen Umständen ist es umso beunruhigender, dass Voigtsberger Jäger ist und selbst Waffen besitzt.
Voigtsberger verknüpft berufliches und politisches Wirken: In seinem Arbeitsumfeld macht Voigtsberger keinen Hehl aus seiner Gesinnung und stellt Patientinnen zufolge AfD-Propaganda offen zur Schau.
Eike Voigtsberger ist mit seiner Frauenarztpraxis in der Leipziger Straße 37 in Gera niedergelassen und einer von zwei Frauenärzten der Region, die feindiagnostische 3D-Screenings bei Schwangeren anbieten.
Dieter Laudenbach – er beschäftigt den Neonazi und AfD-Liebling Peter Pichl
Laudenbach gibt sich ähnlich bieder wie die meisten des AfD-Stadtverbandes. Aber auch er unterhält gute Kontakte zur Geraer Naziszene. Er beschäftigt (inoffiziell) den ehemaligen NPD-Stadtrat Peter Pichl als Mitarbeiter und bezahlt ihn „aus eigener Tasche“. Dieser Verdacht erhärtete sich schon vor einem entsprechenden Artikel im SPIEGEL dadurch, dass sich Pichl, der kein Stadtratsmandat mehr hat, bei Stadtratssitzungen offensichtlich in dem Bereich aufhalten kann, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist. Belegbar ist das bei der Sitzung des Geraer Stadtrates am 24.09.2020, bei der Reinhard Etzrodt zum Vorsitzenden gewählt wurde und zur Ausübung seines neuen Amts nach vorn läuft, als Pichl von seinem Platz ins Bild kommt und ihm kollegial die Hand schüttelt.
Pichls Nazikarriere begann in den Neunzigern in der Kameradschaft Gera, die im Thüringer Heimatschutz organisiert war. Der THS versammelte unter seinem Banner Ende der Neunziger bis in die 2000er Jahre verschiedene Kameradschaften, unter anderem die Kameradschaft Gera, die maßgeblich von Jörg Krautheim, Gordon Richter und Martin Soa koordiniert wurde. Aus den Strukturen des Thüringer Heimatschutzes ist das für zehn Morde verantwortliche Terrornetzwerk des NSU hervorgegangen.
Bei einer Demonstration, die von der NPD zusammen mit Kadern des THS am 12.02.2000 in Gera durchgeführt wurde, waren neben Peter Pichl auch die NSU-Unterstützer Tino Brandt und André Kapke anwesend. Außerdem beteiligt waren, gut sichtbar, verschiedene lokale Gruppen der seit 2000 verbotenen Vereinigung Blood & Honour.
Zusammen mit Gordon Richter war er seitdem kontinuierlich auf nahezu allen NPD-Veranstaltungen in Gera, unter anderem als langjähriger Mitorganisator eines der größten Nazifestivals Europas, dem Rock für Deutschland. Nur ein halbes Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios bekannten sich die Organisator*innen des RfD im Sommer 2012 durch ein an der Bühne angebrachtes Banner zum Thüringer Heimatschutz – in dem Wissen, dass dieser Kameradschaftsverband mit zahlreichen Geraer AkteurInnen dem NSU-Terror als ideologischer und finanzieller Nährboden diente.
Pichl saß ab 2014 für die NPD im Stadtrat, 2015 wurde er zum stellvertretenden Kreisverbandsvorsitzenden gewählt. Zur Zeit des letzten NPD-Verbotsverfahrens 2017 trat er aus der Partei aus. Schon 2015 nahm er an AfD-Kundgebungen teil. 2017 versuchte er Mitglied der Alternative für Deutschland zu werden, was ihm allerdings aufgrund seiner NPD-Vergangenheit qua Satzung verwehrt werden musste.
Beim Volkstrauertag am 19.11.2017 ließ Pichl sich jedoch einer Mitgliedschaft ungeachtet mit der AfD aus Gera, gleich neben dem Bundestagsabgeordneten Robby Schlund, ablichten.
Pichls Präsenz im Kreise der AfD zeigt, dass er wohlgelitten ist. Er genießt Sympathien und Bekanntschaften im ganzen Stadtverband, seine Mitarbeit ist durchaus nicht lediglich mit seiner fachlichen Eignung zu begründen.
Während Dieter Laudenbach behauptet, Peter Pichl habe „glaubhaft und endgültig mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und sich von ihr distanziert“, reicht schon ein flüchtiger Blick auf Pichls Facebook-Profil, um sich vom Gegenteil zu überzeugen: Noch 2018 plauderte er unter einem seiner Beiträge mit dem NSU-Unterstützer und langjährigen Freund des Kerntrios André Kapke.
Pichls Facebook-Freundesliste ist randvoll mit aktiven Nazis jeglicher Couleur – AntisemitInnen, Rechtsextreme aus dem Hooliganmilieu oder aus dem verbotenen Netzwerk Blood & Honour und dessen bewaffnetem Arm Combat 18. Unter ihnen: der Sänger der einflussreichen Blood-&-Honour-Band Legion Ost Daniel Stärz, der ehemalige NPD-Mitstreiter Erik Potyka, das Gründungsmitglied von Blood & Honour Gera und der spätere Zuständige für die Blood-&-Honour-Jugendorganisation White Youth in Thüringen Mike Bär, das Combat-18-Mitglied Daniel Steinmüller (unter dem Pseudonym Alexander Hofmann). Mittendrin: die ProtagonistInnen der Geraer AfD.
Robby Schlund – mit Holocaustleugner Christian Bärthel im Wahlkampf
Bei einem Wahlkampfstand mit dem jetzigen Bundestagsmitglied, dem Geraer Orthopäden und Sportarzt Robby Schlund, war auch der bundesweit bekannte Ronneburger Holocaustleugner und Reichsbürger Christian Bärthel beteiligt. Offensichtlich um Bärthels Profil und die damit verbundenen Image-Schwierigkeiten wissend, retuschierte Schlund Bärthel aus dem Foto, bevor er es bei Facebook postete. Christian Bärthel, der selbst nur ungern verleugnet wird, stellte die unverpixelte Version der Aufnahme kurzerhand auf eigene Faust ins Netz.
Christian Bärthel gehört zum festen und bundesweit agierenden Unterstützerkreis der mehrfach verurteilten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Immer wieder reiste er in der Vergangenheit zu Demonstrationen, die zur Solidarität mit Haverbeck aufriefen. Bärthel selbst ist als notorischer Holocaustleugner und bekennender Reichsbürger bereits wegen Volksverhetzung verurteilt; bei einem seiner Gerichtsprozesse 2007 erhielt er wiederum Beistand von Haverbeck, die seinetwegen nach Gera reiste.
Bärthels Beteiligung bei dem Wahlstand der AfD ist kein Unfall und kein Zufall; auch 2019 ist er inmitten der AfD beim Volkstrauertag in Gera gewesen.
Robby Schlund ist zuletzt bei der von Rechtsextremen überlaufenen Anti-Corona-Demo in Berlin am 29.08.2020 dadurch aufgefallen, dass er mit anderen Demoteilnehmer*innen Plakate hielt, auf denen Wissenschaftler*innen, Politiker*innen und Journalist*innen in Sträflingskleidung und mit dem Urteilsspruch „Schuldig“ versehen abgebildet waren. Daraufhin hat die Thüringer Ärztekammer ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet.
Robby Schlund betreibt seine Arztpraxis für Orthopädie und Sportmedizin in der Jägerstraße 1 in Gera.
Reiko Pflug – Wolfgang Lauerwalds Mitarbeiter schon 2014 bei NPD-Kundgebung
Reiko Pflug, der 2016 in die Partei eintrat, ist derzeit der Wahlkreismitarbeiter des MdL Wolfgang Lauerwald im Wahlkreisbüro in der Reichsstraße 52 in Gera. Wie den Großteil seiner Parteikameraden zog es auch Pflug bereits vor seinem Eintritt zu den Neonazis auf die Straße. 2014 besuchte er eine Infokundgebung der NPD, bei der im Beisein einiger UnterstützerInnen des NPD Kreisverbands Gera Gordon Richter und der Eisenacher NPD-Stadtrat Patrick Wieschke Reden gehalten haben.
Wolfgang Lauerwald selbst trat wie auch sein AfD-Mitstreiter Eike Voigtsberger im Rahmen einer Demonstration der rechtsextremen Identitären Bewegung am 20.07.2019 in Halle in Erscheinung.
Holger Wagner – der Fotograf vom Dienst bei Thügida
Der eifrige AfD-Unterstützer Holger Wagner, dessen Aufgabe unter anderem die fotografische Dokumentation von Parteiveranstaltungen ist, betreut auch regelmäßig AfD-Infostände in Geras Innenstadt. Wagner steht seinen Parteifreunden in nichts nach, auch er beteiligte sich bereits 2015 an einer rechtsextremen Thügida-Demonstration.
Besonders online ist Wagner aktiv und mitteilungsfreudig für die Sache der AfD unterwegs. In einem Facebook-Post bekundet er beispielsweise Unterstützung für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck.
Volkstrauertag 2020: AfD, Holocaustleugner und militante Neonazis Hand in Hand
Wie enorm das Interesse der Geraer AfD für den Reichsbürger und Holocaustleugner Christian Bärthel und dessen Umfeld ist, ließ sich am 15.11.2020 beim Volkstrauertag in Gera studieren. Das völkische Gedenken leiteten Bärthel mit Antisemit Frank Haußner und Haverbeck-Unterstützerin Beatrice Fischer am Kopf der Versammlung an. Bärthel verwob in seiner Rede Geschichtsrevisionismus mit Bibelpassagen, die er immer wieder mit antisemitischen Codes („Kräfte der Hochfinanz“, „internationalistische Cliquen“, „globalistische Eliten“) unterfütterte. Während die VeranstalterInnen sprachen und sangen, lauschten und sangen mit ihnen MdL Dieter Laudenbach und Stadtrat Eike Voigtsberger umgeben von jungen und alten Neonazis, die sich in den vorangegangen Jahren an diesem Datum noch dem Aufruf des NPD-Manns Gordon Richter angeschlossen hatten. So vollzieht die Geraer AfD einmal mehr den Schulterschluss mit offen auftretenden Nazistrukturen.
Dass in der Vergangenheit Veröffentlichungen zur Verstrickung der AfD in die militante und organisierte Naziszene der Partei eher genutzt als geschadet haben, ist ein Zeichen dafür, dass sie nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer Nähe zu Neonazis unterstützt und gewählt wird. Dennoch ist die Dokumentation dieser Verbindungen immens wichtig, da es immer noch Menschen gibt, die glauben, die AfD könne durch Einbinden in die politische Praxis „entzaubert“ werden.
Stattdessen ist klar: Mit der AfD sitzen Personen in den Parlamenten, die nicht einmal mehr einen Hehl aus ihrer Wesensverwandtschaft mit faschistischer Ideologie und deren JüngerInnen auf der Straße machen müssen. Mehr noch: die VertreterInnen der AfD lassen keine Gelegenheit aus, unter Beweis zu stellen, wie ernst es ihnen mit ihren Kontakten ist. Personell und organisatorisch sind die Überschneidungen so signifikant, dass eine Unterscheidung zwischen AfD und militanten Nazis unmöglich gemacht wird. Es handelt sich insbesondere bei der AfD in Gera nicht um bedauerliche Einzelphänomene, sondern durchzieht die Partei strukturell.
Eine gemeinsame Politik, und sei sie auch mit einer pragmatischen Notwendigkeit kommunaler Verhältnisse begründet, bedeutet zwangsläufig gemeinsame Sache mit Rechtsextremen zu machen und ihnen Gehör und Mitwirkung zu verschaffen.