Verrat, Volksverhetzung, Gewalt – Christian Klar und die „dunklen Flecken“

Christian Dietrich Klar (*07.07.1980) aus Gera gehört zweifellos zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. In einer Zeit, in der eine Krise die nächste jagt, konnte der notorisch kriminelle Neonazi Klar zur öffentlichen Person werden. Mit der Anmeldung eines Sommerfests in Gera am 26.08. und einer Versammlung am 03.10.2022 erreichte er den vorläufigen Zenit der Aufmerksamkeit. Selbst die Tagesschau berichtete über den Protest am Tag der deutschen Einheit in Gera, der bis zu 10.000 Personen auf die Straße brachte. Klar, der mit seinen Unterstützer*innen permanent Zusammenhalt predigt und sich als politisch verfolgter Wohltäter der Stadt präsentiert, ist ein vielfach vorbestrafter Opportunist, der in der Vergangenheit keine Skrupel zeigte, auch durch Verrat an seinen Mittätern den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Wir werfen einen Blick auf seine kriminelle Laufbahn, die seine Selbstinszenierung in einem anderen Licht erscheinen lässt.

Nazidemos, Volksverhetzung, Körperverletzung

Als Christian Klar 2020 zum wöchentlichen Besucher von Veranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen wurde, verfügte er bereits über eine mehr als zwanzigjährige Erfahrung in Sachen rechter Demonstrationen. Seit Ende der 90er Jahre bewegt er sich in Nazikreisen. Allein 1997, im Jahr als er seinen Realschulabschluss machte, handelte er sich zum einen mit Volksverhetzung und zum anderen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gleich zwei einschlägige Verfahren ein. Im gleichen Jahr stellte er auch seine physische Gefährlichkeit unter Beweis: Klar beging im November 1997 eine Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

Christian Klar (links unten mit weißem Poloshirt und Jacke über der Schulter) am 04.09.1999 auf einer Demo des Thüringer Heimatschutzes und der NPD in Gera
Christian Klar (1. v.l. unten mit weißem Poloshirt und Jacke über der Schulter) am 04.09.1999 auf einer Demo des Thüringer Heimatschutzes und der NPD in Gera. [Foto: Recherche Gera]
Am 4. September 1999 nahm Klar, der inzwischen seine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur abgebrochen hatte, an einer Großdemonstration der NPD und des Thüringer Heimatschutzes in Gera teil. Der Thüringer Heimatschutz, daran sei erneut erinnert, war diejenige Organisation, aus deren Mitte der u.a. für 10 Morde verantwortliche Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hervorging. Auf der gleichen Demonstration waren auch die NSU-Helfer Ralf Wohlleben, André Kapke und Tino Brandt zugegen. Außerdem anwesend war der Blood-&-Honour-Chef Thüringens, Marcel Degner aus Gera, über den wir bereits ausführlich informierten. Dass Christian Klar zum näheren Umfeld des NSU-Unterstützers Degner gehörte, beweist auch der Eintrag von Klars Telefonnummer (0172/4866xxx) in Degners handschriftlichem Telefonbuch, das man bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmte.
Die überregional einflussreiche Geraer Blood-&-Honour-Band Legion Ost grüßte im Booklet ihres 1996 erschienenen Albums Ohne Worte neben anderen Geraer Nazis auch „Klari“.

Legion Ost (Daniel Stärz, Raik Schumann, Jens Sattler, Jens Häfer) grüßen auf ihrem Album Ohne Worte neben “Riese” (Spitzname Marcel Degners) auch “Klari”
Legion Ost (Daniel Stärz, Raik Schumann, Jens Sattler, Jens Häfer) grüßen auf ihrem Album Ohne Worte neben „Riese“ (Spitzname Marcel Degners) auch „Klari“. [Bild: discogs]
Neben einem kleineren Delikt (Gestatten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis) hatte Klar 1999 erneut mit den Gerichten zu tun, als er sich wegen Landfriedensbruchs und Nötigung verantworten musste.

Betrug, Diebstahl, Drogenhandel, Verrat

Auch im neuen Jahrtausend beschritt Klar weiter den eingeschlagenen Weg des kriminellen Neonazis. Allein im Jahr 2002 ließ Klar sich drei Mal beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischen, was entweder von mangelnder Lernfähigkeit und Cleverness oder aber von aggressiver Ignoranz zeugen mag.
2003 fingierte Klar mithilfe mehrerer Bekannter einen Autounfall, um die Versicherungssumme zu kassieren. Wegen versuchten Betruges sollte Klar 2007 zunächst eine Freiheitsstrafe bekommen, im Berufungsprozess im Jahr 2008 wurde er dann aber zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt zu 3 Jahren Bewährung verurteilt.
Ebenfalls 2003 mieteten Klar und ein Mittäter ein Fahrzeug bei einer Autovermietung in Gera, zerlegten es, um die Einzelteile gezielt an polnische Staatsangehörige zu verkaufen, und meldeten das Auto dann als gestohlen. Wegen Betrugs und Unterschlagung wurde Klar 2004 zu 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die zu 2 Jahren Bewährung ausgesetzt wurden.
Klar wurde jedoch kurze Zeit später wieder straffällig, weswegen seine Bewährung widerrufen wurde. Klar hat die sechsmonatige Freiheitsstrafe vollständig verbüßt.

In den Jahren 2004 bis 2005 war Klar als selbstständiger Schrotthändler tätig. Die dabei erlangten Kenntnisse setzte er 2005 praktisch um: In drei Fällen von besonders schwerem Diebstahl, zwei davon begangen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, entwendete er mehreren lokalen Betrieben Altmetall in großer Menge, um es weiterzuverkaufen – allein im April 2005 stahl er mit Unterstützung weiterer Personen 20 Tonnen Eisenbahnschienen. 2006 musste er deswegen erneut in Haft, diesmal für 2 Jahre und 9 Monate. Im Mai 2008 wurde der zu verbüßende Rest der Freiheitsstrafe zu 4 Jahren Bewährung ausgesetzt.

Nachdem er während seines letzten Gefängnisaufenthalts bereits Crystal konsumierte, dealte er 2008 mit Crystal und Haschisch, um seine Schulden zu begleichen. Als Komplize des Pößnecker Neonazis Norman Strupp versuchte Klar im September 2008, 1,5 Tonnen Kupferdraht von einer Baustelle zu stehlen. Auch wenn Klar und seine Helfer noch vor Ort gestellt wurden, überlebte die Freundschaft zu Norman Strupp. Gemeinsam besuchten Klar, dessen Partnerin Carolin Krietsch und Strupp 2018 gemeinsam eine Solidaritätsdemo für die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck in Bielefeld.

 Christian Klar, Norman Strupp und Carolin Krietsch (v.l.n.r.) auf einer Demonstration für Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck am 10.05.2018 in Bielefeld.

Christian Klar, Norman Strupp und Carolin Krietsch (v.l.n.r.) auf einer Demonstration für Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck am 10.05.2018 in Bielefeld. [Foto: Recherche Nord]
Im darauffolgenden Prozess stellte Klar seine vermeintliche Loyalität unter Beweis: Um eine Strafminderung nach §31 BtMG für sich zu erreichen, verpfiff er einen in seine Drogendeals involvierten Kollegen. Wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und versuchten Diebstahls wurde Klar 2010 zu 2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Profiteur der Pandemie

Seit Christian Klar wieder auf freiem Fuß ist, besucht er beständig extrem rechte Aufmärsche in der ganzen Republik. In der Vergangenheit haben wir bereits mehrfach über Klars Verstrickungen und Teilnahmen an Naziveranstaltungen berichtet (z.B. hier, hier, hier und hier).

Mit Beginn der Corona-Pandemie schloss sich Klar den stets von Rechten orchestrierten Protesten gegen die Maßnahmen zunächst als Teilnehmer an.

Christian Klar (mittig mit blauem Cap) am 02.05.2020 auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen.
Christian Klar (mittig mit blauem Cap) am 02.05.2020 auf einer Demonstration gegen Corona-Maßnahmen. [Bild: Screenshot youtube]
Die unangemeldeten und untersagten Demonstrationszüge 2021 organisierte und koordinierte Klar zunehmend selbst, was er mehrfach betonte.

Seine Rücksichtslosigkeit bewies Klar erneut im November 2021, als er das Wurmmittel Ivermectin in einer Telegram-Gruppe ohne Kenntnis der Risiken als Medikament gegen Corona-Infektionen anpries und erklärte, schon 9 Personen in seinem Umfeld mit dem rezeptpflichtigen, nicht als Covid-Medikament zugelassenen, Arzneimittel „behandelt bzw. versorgt“ zu haben.

Christian Klar gefährdet auf Telegram mit unseriösen Gesundheitstipps andere.
Christian Klar gefährdet auf Telegram mit unseriösen Gesundheitstipps andere. [Bild: Screenshot Telegram]
Am 20.06.2022 trat Christian Klar erstmals als Anmelder der Montags-Proteste auf, die inzwischen eine wilde Melange aus Reichsbürgermilieu, Putin-Freund*innen und -Apologet*innen, Impfgegner*innen und militanten Nazis versammeln. Klar nutzt die Plattform der Demos und Feste vor allem, um über sich selbst zu sprechen; die Menge jubelt dem Selbstdarsteller dafür zu. Seine Höhenflüge verleiten ihn sogar dazu, bei der Demonstration am 22.08.2022 seinen Anhänger*innen gegenüber zu behaupten, dass „es sich lohnt“, ihm „hinterherzulaufen“ und dass man das „guten und ruhigen Gewissens“ machen könne. In dieser Rede auf dem Geraer Marktplatz will er seinen montäglichen Mitläufer*innen zu seinen laufenden Verfahren „Rede und Antwort“ stehen. Ehrlich zu sein verspricht Klar seinem Publikum und redet schließlich nur noch davon, was er alles nicht getan habe. Bis zu den Dingen, die er aber getan hat, reicht der Wille zur Ehrlichkeit dann doch nicht.

„Schön, dass du mein Freund bist“

Mit Peter Schmidt erhält Christian Klar einen, der trotz allem für seine Aufrichtigkeit bürgt. Schmidt, über den alle Medien immer wieder nur zu sagen haben, er sei „Unternehmer“, als mache einen das allein zum verdienstvollen und guten Menschen, darf sich dabei ohne Probleme gewohnt weit aus dem Fenster lehnen. Bereits zu Beginn behauptet er, dass Klar „in seiner Vergangenheit möglicherweise mal Fehler gemacht hat oder auch Dinge getan hat, die nicht erlaubt sind – das hat doch mit einer politischen Bewegung rein gar nix zu tun“. Bei über zwanzig Jahren in der extrem rechten Szene und mehrfachen politisch motivierten Delikten Klars ist das eine sehr freie Interpretation von „rein gar nix zu tun“. Schmidt spricht davon, Klar sei ihm gegenüber „von Anfang an ehrlich“ gewesen, dass es in Klars Vergangenheit auch „dunklere Flecken gab“. Bei all den Straffälligkeiten Klars drängt sich jedoch die Frage auf, wo die helleren Flecken zu finden sind. Schmidt weiß es: In Christian Klars gesellschaftlichem Engagement für die Stadt – das im Wesentlichen aus Demoorganisation mit Feuerwerk und dubiosen Spendensammlungen besteht.

Schmidt betont als Reaktion auf die Aufforderung, sich von Klar zu distanzieren, dass in Deutschland immer noch die „juristische Unschuldsvermutung“ gelte. Wie ein Ertrinkender an den Rettungsring klammert sich der Unterstützer*innenkreis Klars an die Hoffnung, dass man das Gesicht trotz eindeutiger Faktenlage wahren könne. Umso absurder wird das Schauspiel, wenn man sich vor Augen führt, dass Schmidt sein pathetisches Plädoyer für die Unschuldsvermutung auf einer Veranstaltung hält, die regelmäßig von Plakaten gesäumt ist, auf denen Politiker*innen und Journalist*innen in Sträflingskleidung abgebildet sind, und denen die Hobbyjurist*innen der Montagsdemos das eigene Urteil „SCHULDIG“ aufgepinselt haben – und dass eines dieser Plakate überhaupt erst zu den Verfahren gegen Klar geführt hat.
Seinen als spontan inszenierten Beitrag beendet Peter Schmidt mit den Worten: „Den Christian, den ich seit zwei Jahren kenne… Da sage ich mit Stolz: Schön, dass du mein Freund bist.“ Die rührende Männerfreundschaft beruht nicht nur auf der gleichen Gesinnung, sondern offensichtlich auch auf dem gleichen pragmatischen Verhältnis zur Wahrheit.

Innige Freundschaftsbekundung zwischen Christian Klar (l.) und Peter Schmidt (r.), dem „Unternehmer mit Herz“ für kriminelle Neonazis, am 22.08.2022 auf dem Geraer Marktplatz.
Innige Freundschaftsbekundung zwischen Christian Klar (l.) und Peter Schmidt (r.), dem „Unternehmer mit Herz“ für kriminelle Neonazis, am 22.08.2022 auf dem Geraer Marktplatz. [Bild: Screenshot youtube]
Aktuelle Gerichtsverfahren gegen Christian Klar

Derzeit laufen zwei Gerichtsverfahren gegen Christian Klar. Das eine bezieht sich auf eine Verunglimpfung des Geraer Polizeidirektors Michael Zimmermann. Klar hat am 02.05.2022 zum „Spaziergang“ eines der „Schuldig“-Schilder mit dem Bild des Polizisten in Sträflingskleidung mitgeführt. Strafrechtlich ist das von der Meinungsfreiheit gedeckt, allerdings gibt es in diesem Zusammenhang noch ein zivilrechtliches Verfahren gegen Klar. Der konkrete Ausgang ist noch nicht gewiss.

Bemerkenswert in diesem zivilrechtlichen Verfahren ist die anwaltliche Vertretung von Christian Klar. Sein Rechtsbeistand ist der Rechtsanwalt Detlev Funke genannt Kaiser, ein Geraer Anwalt mit einem exzellenten Ruf innerhalb der extremen Rechten. Bekannte Geraer Nazis wie Jörg Krautheim empfehlen ihn ausdrücklich, beispielsweise weil er die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck 2017 vor Gericht zu ihrer Zufriedenheit vertreten hat.

Christian Klar und sein Anwalt Detlev Funke am 31.08.2022 in Gera
Christian Klar und sein Anwalt Detlev Funke gen Kaiser am 31.08.2022 in Gera. [Bild: Screenshot youtube]
Detlev Funke gen Kaiser als Rechtsanwalt der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck 2017 vor Gericht
Detlev Funke gen Kaiser als Rechtsanwalt der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck 2017 vor Gericht. [Foto: Westfalen-Blatt]
Das andere strafrechtliche Verfahren bezieht sich auf schweren Diebstahl, Hehlerei und – na klar – Fahren ohne Führerschein. Christian Klar hat Baumaschinen von Baustellen gestohlen und diese zu verkaufen versucht. Dabei ist er zusätzlich am Steuer ohne gültigen Führerschein (den er schon eine ganze Weile nicht mehr besitzt) erwischt worden. In der Berufungsverhandlung am Geraer Landgericht wurde das erstinstanzliche Urteil gegen Klar am 28.7.2022 mit zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis bestätigt. Gegen dieses Verfahren hat Klar einen Antrag auf Zulassung zur Revision beim OLG Weimar eingereicht. Der aktuelle Stand des Verfahrens ist unklar. Wenn die Revision jedoch nicht zugelassen wird, ist davon auszugehen, dass Christian Klar erneut in den Knast muss.